Donnerstag, 31. Juli 2014

Die Diskussion zur Nation - Klappe die Zweite

Zu meinem Blogpost bezüglich Nationalstolz und WM gab es zwei sehr schöne Reaktionen über die ich mich sehr gefreut habe.  Eine davon möchte ich hier kurz aufgreifen, denn diese Diskussion möchte ich auch gern noch weiterführen.

Sandra Höhne:
[...] Drei Fragen hab ich noch als Denkanstoß, über die ich so gerne diskutieren würde:
1. Berthold Brecht schreibt in seiner "Kinderhymne" von 1950 (Gegenentwurf zur deutschen Nationalhymne): "Und weil wir dies Land verbessern, lieben und beschirmen wir's." Meint er damit den Staat als Verwaltungsapparat? Immerhin können wir daran durch Wahlen und politische Engagement einfluss nehmen. Oder ist eine Liebe zum Staat noch abwegiger als Nationalstolz?
2. War die deutsche Teilung auch deshalb so schmerzhaft, weil sie eine Nation geteilt hat? Oder wurden vor allem die Repressalien in der DDR als negativ empfunden? Könnten heute ohne Probleme zwei demokratische deutsche Staaten koexistieren?
3. In Belgien wird immer mal wieder die Regierung lahmgelegt, weil die beiden Volksgruppen sich nicht auf eine gemeinsame Führung einigen können. Es wird sogar ein Zerbrechen des Staates nicht ausgeschlossen. Ist das Quatsch, was die da machen? Ist es Quatsch, in "Völker" einzuteilen? Wie bewertet man dann z.B. die baskische Unabhängigkeitsbewegung?

Ich habe das Gefühl, das Thema erst angeschnitten zu haben.

@Sandra, über den Begriff der Nation habe ich schon seit längerem vor, einen ausführlichen Blogpost zu schreiben. Ich stehe dem ganzen relativ kritisch gegenüber. Ganz unabhängig von meiner Position hat dieses Konstrukt jedoch leider sehr bittere und sehr reale Auswirkungen. Aber das ganze ist derart komplex, dass ich mich immer wieder in meinen eigenen Gedanken verheddere - wird wohl noch etwas dauern bis ich da einen ausgereiften Standpunkt finde, der auch schlüssig argumentiert werden kann.

Zu deinen Fragen:
1. Eine gute Frage, was Bert Brecht wohl meinte, ob er den Begriff der Nation oder des Staates an der Stelle in Frage gestellt hat oder nicht. Wenn ich allerdings davon ausgehe, dass ein Land mit seinen geografischen Grenzen gemeint ist (unabhängig von politischen Interpretationen) und diesem höchstens eine Verwaltungseinheit zur Seite Stelle, um damit "arbeiten" zu können, halte ich die Liebe zu diesem Land (Landschaften etc.) für überhaupt nicht abwegig; Stolz allerdings schon. Interpretiere ich das Land aber als Nation und Staat dann beginne ich mich zu fragen, was daran ich liebe und warum. Dennoch ist die Liebe zu etwas was man selbst nicht beeinflusst hat für mich irgendwie verständlicher als der Stolz auf etwas, was völlig abseits der eignen Person steht.

2. Puh, dünnes Eis... Ich glaube tatsächlich, dass die Trennung Deutschlands vor allem deshalb so schmerzhaft war, weil sie zum einen von außen kam und in ihrer Wirkung die Kommunikation zwischen den Menschen verhindert hat. Damit wurde einer rationalen Lösung etwas emotionales hinzugefügt, was extrem gefährlich ist. Wenn ich den Staat an sich nicht in Frage stelle - es können immer verschiedene demokratische Staaten nebeneinander koexistieren. Die Frage ist, wann jemand auf die Idee kommt in einem nationalisierenden Gedanken die Einheit des "Volkes" und des Bodens zu proklamieren; denn dann wird es kritisch.

3. Eines der riesigen Probleme des Nationsbegriff ist, dass jede Nation nur eine Titularnation sein kann und aufgrund gesellschaftlicher Realitäten verschiedene Ethnien in sich vereint. Ich glaube die meisten ethnischen Konflikte innerhalb von Staaten sind von dem Wunsch auf Anerkennung, Souveränität und Angst vor dem Verlust derselben geprägt. Diese Punkte beinhalten verdammt viele Unterpunkte - unter anderem politische Macht, Wirtschaft und Verwaltungshoheit - die wiederum ineinander verstrickt sind. Nation ist dabei ein dankbares Konzept, in was das alles reingepresst werden kann um mit all diesen Dingen umgehen zu können ohne komplett den Kopf zu verlieren. Leider ist dieses Konzept nicht nur dankbar und praktisch, sondern auch gefährlich, da in diese Komplexität alles mögliche an Emotionen einfließen lässt und hineingelegt werden kann. Dieser kaum noch auseinanderzuhaltende Wust an Emotionen lässt sich nun sehr leicht benutzen, um die Mitglieder einer "Nation" gegen einen potentiellen Feind aufzuwiegeln; Angst und Hass zu schüren.

Ich glaube nicht, dass man dieses Thema komplett ausdiskutieren kann - es ist einfach verdammt komplex. Dennoch halte ich es für wichtig, diese tradierten Konstrukte immer mal wieder zu entstauben und in Frage zu stellen, was damit überhaupt noch gemeint ist, warum wir so sehr daran gewöhnt sind und welche Folgen sie haben können.

Donnerstag, 24. Juli 2014

...

Zur Zeit fällt mir das schreiben ziemilch schwer. Es gibt so unglaublich viele Themen, die mir auf der Seele brennen, dass ich mich kaum für etwas entscheiden kann. Da könnte man zwar sagen, kein Problem - jeden Tag ein Post und die Sache sieht schon besser aus. Ich hab auch recht häufig angesetzt zu schreiben, aber immer wieder gemerkt, dass ich den Themen einfach nicht gerecht werden kann. Jeder Versuch über die Problematik von Nation, Stigmatisierung aufgrund Nationalisierung, Xenophobie und diesbezüglich unzulässige Vereinfachungen zu schreiben, endete selbst entweder in einer unerträglichen Vereinfachung oder verlor sich derart im Detail, dass ich den Text auch nach vielen Versuchen nicht so recht zu strukturieren vermochte.

Das Weltgeschehen zur Zeit macht mich ratlos, ängstlich und wütend. Ich verstehe das alles nicht. Ich habe keine Ahnung, wie man es schafft auf in Krieg gegipfelten Nationalismus mit Schmähschriften, Genozidaufrufen und Nationalismus zu antworten. Damit meine ich explizit nicht die vor Ort betroffenen Menschen, sondern Vertreter der Politik und andere ganz besonders schlaue Menschen, die der Meinung sind es gäbe eine "richtige Seite".

Diese vielen Kriege, dieser Hass, diese Heuchelei  - es ekelt mich an und es lähmt mich. Aber es bewegt mich auch und ich will darüber schreiben, nur weiß ich überhaupt nicht wie. Jeder Versuch ist eine unzulässige Vereinfachung und ich weiß viel zu wenig über Hintergründe.

Sonntag, 6. Juli 2014

Schwenkt die Flaggen

Ich verstehe nicht, was alle zwei bis vier Jahre im Zuge von Fußballmeisterschaften vor sich geht. Auf einmal rennen Unmengen von Menschen beflaggt durch die Gegend. Einige Gebiete sind kaum mehr betretbar, ohne dass einem von irgendwoher der Partynationalismus entgegenschwallt. Menschen rennen über die Straße und brüllen laut ihre Nationalität und wissen doch eigentlich gar nicht warum. Ich verstehe einfach nicht, was das soll.

Mein Problem beschreibt nicht etwa die Abneigung gegen eine bestimmte Flagge. Der hierzu über diverse Medien verbreitete Post geht meilenweit an der Grundthematik vorbei. Mein Problem ist das Konstrukt der Nation, mit dem sich Menschen massenweise identifizieren und unreflektiert die zugehörigen Fahnen schwingen.
Abgesehen davon, dass Gebiete administrativ voneinander getrennt werden und Symboliken entworfen werden, die sich sehr leicht als Wappen für Menschen und damit als Identifikationsmittel eignen - was ist denn eine Nation? Mein Problem ist auch nicht der Fußball, dem ich durchaus etwas abgewinnen kann. Mein Problem sind grölende Menschen, die mich mit Nationalfarben anmalen möchten (wirklich passiert), obwohl sie von Fußball nun wirklich gar nichts verstehen. Mein Problem ist, dass das Feiern um den Sieg in einem sportlichen Wettkampf in vollkommen unreflektierten Partynationalismus ausartet. Dabei ist es absolut irrelevant, welche Nation vertreten wird.

Wenn ich mir den Stolz auf irgendeine Nation anschaue werde ich einfach nicht schlau daraus, worauf man dan stolz sein kann. Man kann sich sicherlich glücklich schätzen, in einer bestimmten Region geboren und aufgewachsen zu sein, weil das unglaubliche Privilegien mit sich bringt. Man kann auch die Landschaft mögen bis lieben und sich wahnsinnig an seinem Daseinsort wohl fühlen. Aber was hat das mit Nation zu tun? Und was hat das mit Stolz zu tun? Wie kann ich auf etwas stolz sein, wofür ich doch gar nichts kann? Gibt es analog zum Fremdschämen auch einen Fremdstolz?