Sonntag, 30. Juni 2013

Institutionalisiertes Scheitern

Scheitern kann durch Gesellschaftsstruktur vorprogrammiert und sogar bestimmt sein.
Ein Punkt, der die Organisatoren bewegt hat, die Odyssey of Failure in Angriff zu nehmen und immer wieder motiviert, sie voranzutreiben sind die mit dem Scheitern verbundenen gesellschaftlichen Zwänge. Sei es der Zwang „glücklich“ sein zu müssen oder „glücklich“ sein wollen zu müssen oder der, das Scheitern als absolut negative Kategorie zu betrachten. Im Allgemeinen wohnt dem Scheitern eine eigene Qualität inne, durch die die an einem Punkt gescheiterte Person Schlüsse ziehen kann. Dies betrifft betrifft aber nur Situationen, in denen das Scheitern nicht institutionell bestimmt ist.

Das institutionell bestimmte Scheitern sehe ich besonders bei diversen Diskriminierungen – sei es aufgrund von Geschlecht, Gender, sexueller Orientierung, Religion, Ethnizität, Nationalität, Bildung, Ausbildung oder anderen, dem Betrachter auffallenden Merkmalen wie körperliche oder geistige Behinderungen. Jede Diskriminierung hat dabei ihren eigenen #Aufschrei verdient und sollte debattiert werden.
Solche Diskriminierungen sind gesellschaftlich angelegt und zwingen unsere Mitmenschen zumScheitern. Das Scheitern definiere ich allgemein und auch hier durch einen absoluten Endpunkt und ein irreparables Missgeschick.
Nur ist beim institutionalisierten Scheitern im Vergleich zum individuellen, die Ursache anders gelagert. Die hindernden Ängste und Gegebenheiten entspringen nicht den persönlichen Beziehungen oder der eigenen Psyche, sondern einem gesellschaftlichen Monstrum, was leider nicht so klar zu fassen ist.

Um dieses Monstrum etwas besser fassen zu können, wähle ich einfach mal das Beispiel eines klassischen Burnouts. Zwar ist das Krankheitsbild inzwischen bekannt und es wird auch gesellschaftlich debattiert, aber der Weg dahin ist hart und die betroffenen Menschen scheitern nicht nur an einer Stelle. Dies hat diverse Ursachen.
Zum einen sollte eine Überlastung idealer Weise angegangen werden, bevor sie so akkut ist, dass sie im Totalausfall endet und ein wirkliches Scheitern erreicht ist. Das Problem ist nur, dass die notwendige Auseinandersetzung keinen Raum hat: Das eine ist ein gesellschaftlicher Erfolgszwang, der in etwa an gleicher Stelle rangiert wieder Glückszwang und mit diesem an einigen Stellen sogar deckungsgleich ist.
Eine Person kann sich aus strukturellen Gründen nicht einfach zurücknehmen, wenn sie bemerkt, dass alles gerade zuviel wird.
Man muss, um als wertvolles Mitglied der Gesellschaft zu gelten, Karriere machen, Elternteil glücklicher Kinder und Partnerteil einer glücklichen Partnerschaft sein. Hier haben wir's wieder – glücklich wo man nur hinschaut ;-) Aber wie soll das gehen? Ein Beruf fordert nicht selten 150%iges Engagement, dasselbe gilt für alle andern Merkmale des „wertvollen Mitglieds einer Gesellschaft“ auch. Und: Bloß nicht auf Hilfe angewiesen sein! Wer arbeitslos ist, leistet nichts, wer krank ist, kostet nur und Leute die überfordert sind und sich aus psychischen Gründen krankschreiben lassen, werden im besten Fall als Schwächlinge verschrien.  So bekommen betroffene Personen weder ausreichend Therapiestunden bezahlt, noch eine notwendige Minderung der Arbeitszeit oder des abzuleistenden Pensums.
Diese Menschen rennen immer wieder gegen dieselben Mauern und müssen das tun, da die individuelle Situation nicht gebührend Beachtung findet.
Die betroffene Person sieht sich mit unendlich vielen Schranken konfrontiert, die aus hierarchischen Strukturen, gesellschaftlichen Ansprüchen, eigenen Ansprüchen und Ignoranz bestehen. Solange eine Gesellschaft es nicht schafft, das Individuum zu berücksichtigen, wird sie immer wieder lose-lose-Situationen produzieren, und ist in sich zum Scheitern verurteilt.

Ich muss es noch einmal betonen: ich spreche hier nicht von dem Scheitern, dem eine Qualität des Voran-Kommens an anderer Stelle innewohnt, nicht von dem Scheitern, das notwendig ist und produktiv betrachtet werden muss. Ich spreche von einem kollektiven, gesellschaftlichen Scheitern, welches zerstörte Menschen hinterlässt. Es handelt sich um sinnentleerte Strukturen, die nur aufgrund von Ängsten vor Veränderung aufrecht erhalten werden und damit einen produktiven Prozess des Scheiterns verhindern.

1 Kommentar:

  1. Ich bin bei dem Thema sicherlich kein Experte, aber dieses Scheitern ist das klassische Ergebnis des Kapitalismus. Entweder du bringst die geforderte Leistung, oder du gehst. Wurdest du deshalb gegangen, will dich keiner mehr haben. Dieses Problem ist in den USA schon viel weiter fortgeschritten und kann dort sehr gut beobachtet werden.

    Die Sache mit dem Burnout ist auch so eine Sache. Wer wirklich an dieser Krankheit leidet, tut mir aufrichtig leid, denn so etwas braucht niemand. Und gute Wiedereinstiegschancen danach… naja. Problematischer sehe ich jedoch die Tatsache an, dass in letzter Zeit von den Ärzten jedes Problem, das aus dem Geschäftsleben kommen könnte, auf den Burnout geschoben wird, ohne darüber nachzudenken, was das für Folgen für den Patienten hat. Die denken übrigens auch nicht darüber nach.

    Ein Scheitern in so einem System ist vorprogrammiert. Nicht für jeden, aber für viele. Die Lösung? Ich kenne momentan keine (bin ja nur laienhafter Beobachter). Außer vielleicht den Kapitalismus abzuschaffen. Aber das würde wiederum andere große Probleme auf den Plan rufen und die Schlange würde sich dabei in ihren eigenen Schwanz beißen.

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