Sonntag, 12. Oktober 2014

Gesellschaftliche Strukturen als Abbild der Gesellschaft?

Ich habe in letzter Zeit immer stärker ein Problem mit klaren Strukturen. Sie sollen ein Gerüst der Gesellschaft bilden und verfehlen dabei häufig deren Abbildung.

Nehmen wir das Beispiel der Geschlechterordnung. Es ist relativ klar, was Mann/Frau im Leben zu tun hat und wie man sich zu verhalten hat. Frauen haben sich zu zieren und zu verzieren, wohingegen dies bei Männern gar nicht geht. Männer haben eine Frau zu erobern, eine Frau gibt sich dem Herren hin. Alles in allem malt das Gendermainstreaming eher passive Frauen und aktive Männer. Natürlich gilt dieses Rollenbild inzwischen in der offenen Kommunikation inzwischen als überholt, allerdings ist es implizit immernoch sehr stark.
Abgesehen davon, dass eine solch vereinfachte Zuschreibung den Menschen nicht gerecht wird, kann man die Gesellschaft nicht einfach in zwei Gruppen teilen. Viele Menschen können diesem Rollenbild schon allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht nachkommen und warum sollten sie auch? Was ist denn, wenn ein Mann das Bedürfnis hat, sich zu schmücken? Wieso geht dieses Vorschreiben von Verhaltensweisen so weit, dass Frauen öffentlich beleidigt werden, wenn sie es wagen sich nicht die Achseln zu rasieren? Was geht das irgendjemanden an??? Was wenn sich jemand entlang dieser Dichotomie einfach nicht einordnen kann? Es gibt so unendlich viele Menschen, die sich nicht klar in eine Richtung einordnen lassen und das ist gut so.

Binäre Muster sind wunderbar einfach und erleichtern eine gesellschaftswissenschaftliche Analyse ungemein. Allerdings ist das zu kurz gedacht. Als Ethnologin war ich häufig froh, solch einfache Muster zu entdecken, an denen ich mich vorerst entlanghangeln konnte und an denen ich einen Einstieg finden konnte aber je tiefer man in eine Gesellschaft schaut, desto sichtbarer wird, dass diese Muster nicht wirklich gelebt werden können. Der Mensch und Gesellschaft selbst ist dafür einfach zu komplex. Dennoch existieren diese Strukturen und Muster seit Ewigkeiten in der Gesellschaftlichen Ordnung. Ich frage mich wieso? Sie bilden ein Wertemuster und vermutlich ist es für viele Menschen gut, eine solche Werteorientierung zu haben. Sie gibt Halt und suggeriert Sicherheit. Solange Mensch sich in ein solches Muster einordnen lässt, scheint das ja auch alles in Ordnung zu sein. Schwierig wird es dann, wenn Menschen daraus ausbrechen - ob beabsichtigt oder nicht. Dann werden Grenzen überschritten und es kommt zu Verletzungen. Häufig führen solche Grenzübertritte sogar dazu, dass den Betroffenen  ihre gesamte Menschlichkeit aberkannt wird. Das darf so nicht sein!

Auch wenn solche Genderrollen schon häufig reflektiert wurden, so werden sie dennoch immer wieder reproduziert und auch ich tue das. So sehr ich dieses Gendermainstreaming auch in Frage stelle - ich komme selbst nicht wirklich umhin in dieser bipolaren Opposition von Mann und Frau zu denken. Ich bin mir durchaus bewusst, dass die Realität wesentlich vielfältiger ist. Allerdings besteht das eigene Denken unter anderem aus der eigenen Sozialisierung und diese impliziert ein bipolares Geschlechterbild. Es verwirrt mich, dass ich mein eigenes Denken nicht durchbrechen kann und gleichzeitig gibt es viele Situationen in denen ich dankbar für einfache Verhaltensmuster bin.

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