Samstag, 25. Januar 2014

Fortschritt und Entmündigung

Die Welt ist komplex und wird immer feingliedriger. Da scheint es nur gut, dass Programme und Maschinen uns einen Großteil der (Denk)Arbeit abnehmen. Nun müssen wir vieles nicht mehr hinterfragen. Man klickt auf einen Button und schon funktioniert alles. Die Hintergründe sind verschleiert und für die meisten auch gar nicht interessant - funktioniert ja auch so.

Auf den ersten Blick ist das eine unglaubliche Erleichterung - hat doch jeder von uns auch so schon genügend Sorgen. Auf den zweiten Blick könnte einen aber auch das Gefühl beschleichen, dass dem Menschen auf diesem Weg sukzessive das Denken und Hinterfragen abgewöhnt wird. Zusammenhänge bleiben verborgen und die Welt besteht nur noch aus unendlich vielen Einzelheiten.
Das kann unübersichtlich werden und diese Dinge aus eigener Motivation wieder zusammen zu bringen kostet echte Anstrengung.

Aber warum beschäftigt mich das? Das Leben scheint so einfach, wir scheinen kaum echte (sic!) Sorgen zu haben. Mein Problem ist folgendes:

Dieses Nicht-hinterfragen hat gesellschafts-politische Konsequenzen.
Die Übermittlung von Datenpaketen und deren Hintergründe sind dabei nur ein Beispiel von vielen. Man versteht nicht wirlklich, was vor sich geht, wenn man eine Mail schickt. Man versteht auch nicht wirklich, was passiert, wenn Daten gespeichert werden - und eigentlich ist es ja auch egal (sic!). Es funktioniert ja alles (sic!) 
Ein weiteres  Beispiel ist der unreflektierte Konsum von Dingen. Das der Preis von Gütern seine Hintergründe in Form von Produktionsbedingungen hat, ist ein Zusammenhang über den leider wenige Menschen nachdenken (mal ganz abgesehen von dem Irrsinn, dass man bereit ist mehr für einen Liter Cola zu zahlen, als für einen Liter Milch).
Ein stetiger Kontrollverlust scheint der Preis der Bequemlichkeit zu sein. Und da alles so schön einfach ist, entmündigen wir uns selbst.


Montag, 13. Januar 2014

Wieso ist die korrekte Antwort nicht "So what?!?!"

Letzte Woche ist eine unglaubliche Hysterie um die Sexualität eines Fußballspielers (nach seiner Karriere) ausgebrochen.

In meiner Welt ist die sexuelle Orientierung eines Sportlers, Bankers, Musikers, Politikers oder sonstigen Menschen vollkommen schnuppe. Allerdings zeigt die Reaktion vieler Menschen auch in meinem direkten Umfeld, weshalb die korrkete Antwort auf das Outing einer in der Öffentlichkeit stehenden Person leider noch nicht "So what?!?!" sein kann:

Selten habe ich so viele Kollegen über imaginäre Seifenstücke kichern hören. Selten begannen mehr Sätze mit "Ich habe nichts gegen Schwule, aber..." Auf einmal höre ich überall Witze über Schwule.
Auf einmal brechen Debatten aus, ob Homosexualität als seperates Thema im Schulunterricht sein soll. Die Reaktion war nicht: Sollte doch bei Sexualkunde dabei sein, oder?! Die Reaktion war eine panische Petition, die wünscht dies zu verhindern, um die armen Kinder nicht zu verderben.

Auf einmal fühlt sich die Bundesregierung (!) genötigt, die private Äußerung eines Ex-Fußballers ausdrücklich zu begrüßen. Selbstverständlich ändert diese Begrüßung nichts an der nicht vorhandenen rechtlichen Gleichstellung von homosexuellen Paaren (Stichwort Adoptionsrecht).

Alle sind ja so tollerant, aber... Witze müssen doch noch erlaubt sein...  Solange man selbst nichts damit zu tun hat... Solange man sich nichst vorstellen muss, solange das eigene Weltbild nicht berührt wird... Solange Kinder nicht damit in Berührung kommen...

Hey Leute, kein Problem - solange ihr tolerant seid...

Leider sieht man aus weiter Entfernung, wie es um diese Toleranz steht. Sie ist nichts als ein Schild, was man vor sich herträgt, weil es so kleidsam ist und es einfach nicht mehr salonfähig ist, sich klar als homophob oder xenophob zu präsentieren - wenigstens das! Wenigstens ist es inzwischen peinlich, homophob zu sein. Von einer toleranten Gesellschaft ist das aber noch weit entfernt.

Dass wir im 21. Jahrundert immernoch über die gesellschaftliche Akzeptanz unterschiedlicher sexueller Orientierungen sprechen müssen ist traurig - verdammt traurig. Dass die zur Schau getragene Toleranz nichts als Show ist, ebenso.