Sonntag, 21. September 2014

Zwischenmenschliches

Eine gute Freundin hat mir heut bei einem sehr schönen Gespräch gesagt, dass ich gelegentlich mit meinen Äußerungen ziemlich daneben liege, mir das aber in bestimmten Situationen von Freunden nachzusehen sei, denn man kennt mich ja und kann den Kontext bewerten.

Es ging um eine Situation, in der ich aufgrund von viel Arbeit und sonstigem Nachgedenke sozial nicht mehr wirklich aufnahmefähig war. Dass das gelegentlich passiert weiß ich und ich bin verdammt froh, dass meine Freunde das zu bewerten wissen. Auch ich bin wie sie der Meinung, dass Freunde genau dafür da sind, Situationen in denen jemand nicht mehr wirklich gut steuern kann als genau solche zu bewerten und über kommunikatorische Ausfälle gegebenenfalls hinwegzusehen. Allerdings habe ich mich auch gefragt, was genau solche Situationen, in denen man über Äußerungen und Ausfälle hinwegsehen kann von solchen unterscheidet, in denen das eben nicht geht.

Zum Einen kann ich bei Menschen die ich nicht besonders gut kenne, allerdings prinzipiell irgendwie mag recht lang über solche Dinge hinwegsehen. Man kann eben noch nicht bewerten, ob dieser Mensch prinzipiell unaufmerksam ist oder ob es sich gerade um eine Phase handelt, die mir unbekannten Ursachen geschuldet ist. Sicher ist auch da irgendwann Schluss, aber solang ich Personen nicht einschätzen kann, halte ich mich damit auch zurück.

Gleichzeitig kann ich im Bewerten von Situationen bei Menschen die mir wahnsinnig wichtig sind ein unsäglicher Krümelkacker und Prinzipienreiter sein.

Ich habe noch nicht ganz herausgefunden, welcher Logik diese Bewertungen folgen. Zum Einen gibt es Punkte, bei denen ich immer und jedem Menschen gegenüber empfindlich reagiere: Offensichtliche Diskriminierung und Exklusion ist ein echter Painpoint. Wer anderen Personen oder Personengruppen ihre Menschlichkeit aberkennt braucht von meiner Seite aus nicht mehr mit Höflichkeit zu rechnen. Das sind jedoch ziemlich klare Dinge, die meiner Meinung nach auch keiner Weiteren Erläuterung bedürfen.

Schwieriger und irgendwie interessanter finde ich, dass ich je näher mir Menschen stehen, desto unnachgiebiger zu werden scheine. Auch scheine ich mit steigender Nähe mehr vorrauszusetzen. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass ich diese Menschen relativ gut kenne und Situationen bewerten kann und auch bewerte. In solchen reflexiven Momenten kann widerum alles in seinem jeweiligen Kontext verständlich gemacht werden.

Am Ende bleibt ein Widerspruch, an dem ich mich immer wieder ziemlich abarbeite und über dessen Entstehung und Dasein ich noch ein wenig nachdenken muss.

Freitag, 5. September 2014

Das optimierte Ich

In letzter Zeit treibe ich mich wieder etwas verstärkt in diversen Jobportalen rum und werde das Gefühl nicht los, dass es eigentlich nur darum geht, wer dem Personaler am Besten ins Gesicht lügen kann und dem zukünftigen Arbeitgeber den süßesten Honig ums Maul schmiert. Ich habe da keine Lust drauf.

Vielleicht liegt es genau daran, dass ich jetzt den Job habe, den ich halt habe, aber ich sehe auch einfach keinen Sinn darin, meinen Lebenslauf und meine Qualifikationen so lange zu pimpen, bis ich die eierlegende Wollmilchsau bin. Langfristig würde mich das verdammt unzufrieden machen. Es gibt eine ganze Menge Dinge, die mich interessieren, die ich mit Freude lernen würde, allerdings hat so ein Tag den Nachteil, sich auf 24h zu beschränken. Ich gestalte meine Bewerbungen so, dass wirklich ICH da stehe, nicht das, was irgendeine HR-Abteilung meint zu wollen.

Ich sehe keinen Sinn darin, mein recht passables Englisch als "verhandlungssicher" zu deklarieren, weil ich noch nicht einmal weiß, was dieses "verhandlungssicher" oder "sehr gut" im Kontext von Sprachbeherrschung nun genau sein soll. Ich habe keine Lust darauf, meine Interessen und Gebiete in denen ich mich gerade (in meiner Freizeit) weiterbilde als herausragende Qualifikationen anzupreisen - das sind sie einfach noch nicht. Kann ja aber noch werden.

Meiner Meinung nach, hat es aus Personalersicht auch wenig Sinn nach fertigen Kapazitäten zu suchen. Egal was man tut, worauf man sich bewirbt - Einarbeitungszeit ist überall notwendig. Natürlich gibt es Vorraussetzungen. Es macht wenig Sinn, sich als mathematischer Analphabet auf eine Mathematikprofessur zu bewerben allerdings sollte der Schwerpunkt nicht immer auf bescheinigten Fähigkeiten liegen. Viel interessanter sind doch Persönlichkeiten, die ins Team passen und die motiviert sind, sich Kenntnisse anzueignen. Das lässt sich dummerweise nicht mit Zertifikaten prüfen und erfordert einen wesentlich komplizierteren Auswahlprozess.

Es würde mich zu Tode langweilen, wenn ich diese tausenden optimierten Lebensläufe lesen müsste, in denen sowieso nur das drin steht, was ich schon in die Ausschreibung geschrieben habe. Lückenlose Lebensläufe... Xing-Webinare, mit dem Namen "Es gibt keine Lücken im Lebenslauf"... Naja, kommt darauf an, was ego und alter als Lücke definieren.

Und warum sollte es auch ständig die Karriereleiter hinauf gehen - was auch immer das schon wieder sein soll? Wieso sollte man sich nicht auch einmal mit anderen Dingen beschäftigen, ohne gleich eine Zielsetzung dahinter zu definieren? Was hat ein Vorgesetzter von einem Bewerber, der sich auf dem Papier zwar optimiert hat, das rhetorisch auch noch bis zum Ende der Probezeit durchhält und anschliessend zusammenbricht? Was habe ich selbst davon?

Ich habe dieses Streben nach immer mehr gründlich satt. Ich habe keine Lust, mich in dieses sinnentleerte Optimierungsgehabe einzureihen und ich werde es auch nicht tun.