Samstag, 27. Dezember 2014

Weihnachtliche Gedanken

Seit einigen Wochen bin ich sprachlos und fühle mich ohnmächtig. Was aktuell auf Dresdens Straßen geschieht macht mich nicht nur traurig und wütend, sondern schnürt mir die Kehle zu.
So sehr ich mich auf einige Menschen gefreut habe - ich hatte dieses Jahr Bauchschmerzen bei dem Gedanken, Weihnachten Heim zu fahren. Ich wusste, dass ich mit Pegida im näheren Umfeld konfrontiert werde und ich wusste, dass ich damit nicht umgehen kann. Es handelt sich um Menschen, die ich eigentlich liebe, die ich aber nicht mehr achten kann, wenn ich faschistische Hetze aus ihren Mündern höre. Weit nicht jeder, der bei Pegida mitläuft ist tatsächlich rassistisch eingestellt. Die meisten sind einfach unzufrieden und lassen sich von einem kriminellen Vollidioten für islamophobe und fremdenfeindliche Hetze instrumentalisieren - macht die Sache nicht wirklich besser - Mitläufer halt. Allerdings wäre mir wesentlich wohler, wenn es sich bei der Person in meinem Umfeld um einen Mitläufer handeln würde. (In gewisser Weise passt das Wort Mitläufer ja schon, denn mit selbst nachdenken und auf fundierter Basis Meinung bilden hat das ganze nichts zu tun. ) Er ist aber kein Mitläufer, sondern einer von denen die (ungeachtet der Faktenlage) diese Hetze im Brustton der Überzeugung absondern.

Mir blutet das Herz!

Wie ist dem ganzen beizukommen? Ich hab kein Ahnung. Fakten sind ja nur von der  - bei gefälligen Themen zynischerweise gern zitierten - "Lügenpresse" geschürt. Berichte aus eigenen Erfahrungen, die Empathie hervorrufen sollten, werden mit "Das ist nicht mein Problem" beantwortet. Subversiver Humor wird nur von den Menschen verstanden, die das Denken bereits begonnen haben. Gedankenanstöße, die dafür sensibilisieren sollten, wo eine solch xenophobe Haltung hinführen könnte (ich kann nur hoffen, dass der Konjunktiv hier passt), verhallen ungehört. Bildung. Eigentlich die einzige Möglichkeit, die ich sehen würde. Leider ist das bei den Leuten, die in Dresden mitmarschieren, kaum mehr möglich - wie gesagt, taub für alle Fakten und Tatsachen.

Was mich unglaublich erschreckt ist, dass der Mensch, bei dem ich über Weihnachten diese menschenfeindliche Haltung festgestellt hab, eigentlich immer eher Sympathisant der Antifa war. Aber man hätte es sich denken können. Das Ganze war immer eher Protest als politische Haltung und war immer mit einer guten Portion Verschwörungstheorie unterfüttert. Es hätte mir klar sein können, dass jemand der vereinfachende Theorien unreflektiert als gegeben hinnimmt, anfällig für andere vereinfachende Meinungsmache ist. Aber dass jemand der sich eigentlich immer für die Gleichwertigkeit von Menschen geäußert hat auf einmal das Gegenteil absondert und der Meinung ist, dass einige Menschen kein Recht auf ein würdevolles Leben haben, war mir echt zu abwegig.
Andere Leute, bei denen ich Pegida-Sympathien viel eher angenommen habe, sind durch die Angst vor den aktuellen Entwicklungen in Dresden sehend geworden, haben aber keine Lust, sich in Diskussionen zu verstricken - es ist ja Weihnachten.

Was wollen diese Menschen? Was ist das Ziel von Leuten, die in Dresden jeden Montag auf den Theaterplatz gehen und "Wir sind das Volk" skandieren? Mir ist das nicht so recht klar. Sie haben Angst um den eigenen Wohlstand, sie verstehen die Politik nicht, die glauben der Presse nicht (außer bei Themen, die einem grad mal in den Kram passen), sie haben Angst, dass ihre brüchige Identität von Dingen die anders sind beschädigt wird. Aber ist das wirklich so einfach? Eigentlich viel zu abstrakt und zu einfach.

Wie kann man diese Menschen wieder zu einer Menschlichkeit bringen; dazu ihre eigenen so hoch gehaltenen Werte zu leben? Ich glaube schon, dass das nur mit Kommunikation geht, aber ich habe keine Ahnung, wie man da kommunizieren soll. Wenn diese Leute den Mund aufmachen und mir einen Schwall Hetze ins Gesicht schleudern kann ich nicht ruhig bleiben. Ich kann in diesem Moment nicht ruhig überlegen, was nun die richtige Frage wäre, um diesen Schwachsinn zu demaskieren.

Da ich das nicht kann und logische Diskussionen nicht entstehen, bleibt mir nur am Sonntag wieder zurückzukehren, Dresden zu verlassen und mich in die Arme der Menschen zu begeben, bei denen ich mich wohl fühle. Lieber hätte ich in dieser Woche auch nur einen Menschen zum Nachdenken gebracht, aber so viel Kraft hab ich angesichts solcher Menschenfeindlichkeit nicht. Ich kann mit diesem unreflektierten Hass nicht umgehen und ich will es nicht.

Montag, 15. Dezember 2014

Streben nach mehr

Was soll diese Erwartung, die viele an eine glückliche Beziehung haben? Wieso soll man mit dem Partner eins werden und sich vollständig im anderen sehen? Wieso sollte das Ego im Wir kleiner werden?

Ich höre so häufig, dass Menschen unglücklich in ihrer Situation sind, weil sie mit ihrem Partner nicht alles teilen können. Entweder fehlt ein freundschaftlicher Teil, oder es fehlt ein Funken Leidenschaft oder ein bestimmter Humor. Manchmal ist es einfach nur der Spaß an einer Bestimmten Musikrichtung oder einem Hobby. Viele haben einfach die Erwartung, im Partner das eigene Leben finden zu müssen oder auch andersrum. Und wenn das dann doch nicht so passt, wird entweder am eigenen Leben oder am Gegenüber solange herumgebogen, bis es scheinbar passt. Und dann wundert man sich, dass alles auf einmal derart glatt ist, dass es nur noch so durch die Finger flutscht - und weg ist es.

Da müht man sich ewig ab, um Perfektion zu erlangen und hinterfragt nicht ein einziges Mal, warum denn eigentlich. Wieso sollte man nach Perfektion in der Partnerschaft streben? Wieso überhaupt dieses Streben nach Vollkommenheit? Was ist falsch daran, wenn es Reibungspunkte gibt - egal ob in der Partnerschaft oder sonstwo im Leben. Ich glaube nicht an Perfektion, wenn es um Zwischenmenschlichkeit geht und finde Menschen die sich auf diese Art darstellen im besten Fall langweilig.
Ich frage mich, wieso ständig nach Verbesserung gestrebt wird und kann mich da noch nicht einmal wirklich ausnehmen. Wenn ich in einer Situation zufrieden bin, dann ist das super so, egal was andere denken. Wenn das soziale Umfeld (zumindest in Teilen) der Meinung ist, man sollte in irgendeinem Teil des Lebens den "nächsten Schritt" tun um wirkliches Glück zu erreichen, frage ich mich warum. Was ist der nächste Schritt und warum sollte er mir irgendetwas positives bringen, wenn ich doch in der aktuellen Situation absolut glücklich bin? Wenn hingegen irgendetwas interessant und spannend ist, hat es keinen wirklichen Sinn in der aktuellen Position zu verharren aus Angst etwas zu verlieren. Aber nur um "weiterzukommen"? Wohin denn?

Montag, 17. November 2014

Wunderbar


Ich bin einfach nur begeistert von den Menschen, die ich in meinem Leben habe! Sie sind phantastisch.

Es hat recht lang gedauert, dass ich in Konstanz Freunde gefunden habe – eigentlich sogar fast zwei Jahre. Das ist zum einen der Situation zuzurechnen, dass ich nach meinem Studium ohne Anstellung in eine neue Stadt gezogen bin, zum anderen aber auch der Tatsache, dass ich Mühe habe, selbst auf Menschen zuzugehen, die mir sympathisch sind.

Es gibt dann Personen, die ich spontan ins Herz schließe und von denen ich mir sehr sicher bin, dass sie wunderbar sind – bei denen ich aber dann Angst habe, dass dies nicht auf Gegenseitigkeit beruht.

Im letzten halben Jahr habe ich ausgehend von Arbeitsbekanntschaften einige dieser Menschen etwas kennengelernt und auch weitere sind hinzugekommen. 
Auf einmal finde ich mich in der Situation, dass ich (abgesehen davon, dass auch sonst der Tag viel zu wenig Stunden hat) Probleme habe, meine Zeit einzuteilen – da sind so viele faszinierende Charaktere.

Es sind Freundschaften entstanden, die mir so unglaublich viel geben und die mich unglaublich bewegen. Es sind Personen dabei, über die ich eigentlich kaum etwas sagen kann, die ich trotzdem sehr schätze und mag. Es sind Menschen dabei, mit denen ich schon wunderbare Abende verbracht habe und über alles möglich gesprochen habe. Es sind Charaktere dabei, die sich selbst erst sehr langsam öffnen und es sind Menschen dabei, die ihr Selbst fast direkt auf der Zunge tragen.

Ich bin gerade einfach nur unglaublich glücklich über diese Leute in meinem Leben und freue mich über jeden einzelnen. Aus einigen dieser Kontakte werden längere Freundschaften werden, aus einigen nicht. Aber eigentlich ist es auch egal. Jeder dieser Charaktere ist grandios und ich bin glücklich, sie in meinem Leben zu haben.

Sonntag, 19. Oktober 2014

Laufen

Sollte ich zwischendurch vergessen haben, warum ich das Laufen liebe - hier ist es wieder:
Als ich losgelaufen bin, war die Luft noch sehr feucht und vernebelt. Es war auch so kühl, dass ich mir lieber eine Jacke angezogen habe - führte der Weg doch in den nahegelegenen Wald. Mit einem wunderbarem Tango auf den Ohren ging es also los. Fünf Minuten später war ich von Bäumen umgeben. Laub auf dem Boden, alles recht feucht und verwunschen. Ein paar Meter weiter begann der Nebel sich zu lichten, gleichzeitig auch der Wald und ich hatte vom Seerücken aus eine wunderbare Sicht auf den eingehüllten See. In den nächsten Minuten klarte die Luft immer mehr auf und das Spiel von Licht und Schatten des Waldes gewann minütlich an Intensität. Diese Musik, kombiniert mit dem regelmäßigen Laufschritt und der aufwachenden Natur - das ist Leben!

Zwischenzeitlich wurde es sogar recht warm, die Farben spielten zwischen grün, rot, gelb, braun, gold. Irgendwo in einem Winkel war immer noch ein Nebelwölkchen und Spinnennetze noch ganz taubesetzt. Wenig später kam ich wieder aus dem Wald raus und hatte eine phantastische Sicht auf den inzwischen auch aufgedeckten See. Dieses Erwachen genau in der Abfolge und der Geschwindigkeit live mitzuerleben ist einfach toll. Das ist genau der Grund, weshalb ich laufe und dafür auch mal früher aufstehe - ich liebe es!

Freitag, 17. Oktober 2014

Endpunkte

Es häufen sich in letzter Zeit Abschiede. Letztes Mal schrieb ich über Freunde, die auf Weltreise gehen; heut beschäftigt mich eher der Tod.
Dieses Jahr scheint davon geprägt zu sein, dass (zumindest gefühlt) ganz viele Menschen mehr oder weniger plötzlich sterben. Zu den wenigsten hatte ich einen wirklich engen Bezug, gemocht habe ich die meisten dennoch.

Es macht mich traurig, dass bei sympathischen Menschen nie wieder Kontakt aufnehmen kann und dieses definitive NIE erschließt sich mir auch nicht wirklich. Es ist ein Unterschied, ob man nie wieder will oder nie wieder kann. Es ist auch ein Unterschied, ob man wie bei einer Weltreise ein nie wieder vermutet oder weiß, dass es aus ganz physischen Gründen nie wieder geht.

Ich frage mich, warum ich so ein Problem mit dem Tod von Menschen habe, auch wenn diese mir wirklich nah standen. Es berührt mich sehr tief, wenn Menschen, die ich mag sterben - egal wie eng die Bindung wirklich ist. Ich kann diese Tode nicht begreifen - egal ob die Person freiwillig starb oder nicht.

Eigentlich komme ich mit Endpunkten zurecht - nicht unbedingt gut, aber mit Scheitern und Sonstigem kann ich umgehen. Der Tod ist aber weder eine Krankheit, mit der man umgehen kann, noch ist er tatsächlich ein Scheitern. Er ist ein Endpunkt, nach dem nichts mehr kommt, an dem auch nichts mehr anbauen kann, den man einfach so nehmen muss, wie er ist - ein Teil des Lebens.

Sonntag, 12. Oktober 2014

Gesellschaftliche Strukturen als Abbild der Gesellschaft?

Ich habe in letzter Zeit immer stärker ein Problem mit klaren Strukturen. Sie sollen ein Gerüst der Gesellschaft bilden und verfehlen dabei häufig deren Abbildung.

Nehmen wir das Beispiel der Geschlechterordnung. Es ist relativ klar, was Mann/Frau im Leben zu tun hat und wie man sich zu verhalten hat. Frauen haben sich zu zieren und zu verzieren, wohingegen dies bei Männern gar nicht geht. Männer haben eine Frau zu erobern, eine Frau gibt sich dem Herren hin. Alles in allem malt das Gendermainstreaming eher passive Frauen und aktive Männer. Natürlich gilt dieses Rollenbild inzwischen in der offenen Kommunikation inzwischen als überholt, allerdings ist es implizit immernoch sehr stark.
Abgesehen davon, dass eine solch vereinfachte Zuschreibung den Menschen nicht gerecht wird, kann man die Gesellschaft nicht einfach in zwei Gruppen teilen. Viele Menschen können diesem Rollenbild schon allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht nachkommen und warum sollten sie auch? Was ist denn, wenn ein Mann das Bedürfnis hat, sich zu schmücken? Wieso geht dieses Vorschreiben von Verhaltensweisen so weit, dass Frauen öffentlich beleidigt werden, wenn sie es wagen sich nicht die Achseln zu rasieren? Was geht das irgendjemanden an??? Was wenn sich jemand entlang dieser Dichotomie einfach nicht einordnen kann? Es gibt so unendlich viele Menschen, die sich nicht klar in eine Richtung einordnen lassen und das ist gut so.

Binäre Muster sind wunderbar einfach und erleichtern eine gesellschaftswissenschaftliche Analyse ungemein. Allerdings ist das zu kurz gedacht. Als Ethnologin war ich häufig froh, solch einfache Muster zu entdecken, an denen ich mich vorerst entlanghangeln konnte und an denen ich einen Einstieg finden konnte aber je tiefer man in eine Gesellschaft schaut, desto sichtbarer wird, dass diese Muster nicht wirklich gelebt werden können. Der Mensch und Gesellschaft selbst ist dafür einfach zu komplex. Dennoch existieren diese Strukturen und Muster seit Ewigkeiten in der Gesellschaftlichen Ordnung. Ich frage mich wieso? Sie bilden ein Wertemuster und vermutlich ist es für viele Menschen gut, eine solche Werteorientierung zu haben. Sie gibt Halt und suggeriert Sicherheit. Solange Mensch sich in ein solches Muster einordnen lässt, scheint das ja auch alles in Ordnung zu sein. Schwierig wird es dann, wenn Menschen daraus ausbrechen - ob beabsichtigt oder nicht. Dann werden Grenzen überschritten und es kommt zu Verletzungen. Häufig führen solche Grenzübertritte sogar dazu, dass den Betroffenen  ihre gesamte Menschlichkeit aberkannt wird. Das darf so nicht sein!

Auch wenn solche Genderrollen schon häufig reflektiert wurden, so werden sie dennoch immer wieder reproduziert und auch ich tue das. So sehr ich dieses Gendermainstreaming auch in Frage stelle - ich komme selbst nicht wirklich umhin in dieser bipolaren Opposition von Mann und Frau zu denken. Ich bin mir durchaus bewusst, dass die Realität wesentlich vielfältiger ist. Allerdings besteht das eigene Denken unter anderem aus der eigenen Sozialisierung und diese impliziert ein bipolares Geschlechterbild. Es verwirrt mich, dass ich mein eigenes Denken nicht durchbrechen kann und gleichzeitig gibt es viele Situationen in denen ich dankbar für einfache Verhaltensmuster bin.

Freitag, 3. Oktober 2014

Abschiede

Es gibt Menschen in meinem Leben, die ich sehr in mein Herz geschlossen habe, die allerdings in verdammt naher Zukunft ihr Leben an völlig anderen Orten weiterleben werden und damit als Beiprodukt mein Leben verlassen werden.
Es fühlt sich verdammt komisch an, zu wissen, dass ich diese Menschen vermutlich nur noch 2-3 mal sieht, bevor sich alles Weitere ins Ungewisse verschiebt.

Es fühlt sich auch sehr komisch an zu wissen, dass sich das eigene Leben damit um verschiedene Dinge verändert, ich da aber absolut keine Einflussmöglichkeiten habe. Es gibt Momente und Menschen, an denen möchte ich einfach festhalten - es ist einfach zu toll. Auf der anderen Seite gehören genau diese Menschen einfach ins Freie und wer weiß, welche Möglichkeiten des Wiedersehens sich vielleicht doch noch ergeben.

Die Person, die geht hat erfahrungsgemäß so viel mit Gehen zu tun, dass solche Gedankenkarusselle bezüglich des Wiedersehens mit lieben Leuten weniger entstehen. Das ist auch gut so, sonst würde man vermutlich nie gehen. Außerdem agiert man bei Reisevorbereitungen selbst und entscheidet aktiv, dass das Leben sich ändern soll und springt ins Ungewisse.

Irgendwie ist das alles gerade echt viel - viele Abschiede, sehr liebe gehende Freunde, viele Veränderungen. Es sind nur noch ein paar Wochen, dann sind alle geplanten Abschiede über die Bühne gegangen. Neben diesem seltsamen Gefühl, dass sich gerade wichtige Teile meines Lebens von mir verabschieden bleibt auch die Freude und die eigene angestachelte Unternehmungslust.

Wenn ihr alle irgendwo auf diesem Planeten verstreut seid, so sollte ich doch wenigstens einen länger gültigen Reisepass haben, um euch zu besuchen. Also: Termin in der Botschaft machen, Pass verlängern und dann mal schauen, wann und wo ich euch wiedersehe.

Macht's gut, passt auf euch auf und lebt aus den Vollen!

Sonntag, 21. September 2014

Zwischenmenschliches

Eine gute Freundin hat mir heut bei einem sehr schönen Gespräch gesagt, dass ich gelegentlich mit meinen Äußerungen ziemlich daneben liege, mir das aber in bestimmten Situationen von Freunden nachzusehen sei, denn man kennt mich ja und kann den Kontext bewerten.

Es ging um eine Situation, in der ich aufgrund von viel Arbeit und sonstigem Nachgedenke sozial nicht mehr wirklich aufnahmefähig war. Dass das gelegentlich passiert weiß ich und ich bin verdammt froh, dass meine Freunde das zu bewerten wissen. Auch ich bin wie sie der Meinung, dass Freunde genau dafür da sind, Situationen in denen jemand nicht mehr wirklich gut steuern kann als genau solche zu bewerten und über kommunikatorische Ausfälle gegebenenfalls hinwegzusehen. Allerdings habe ich mich auch gefragt, was genau solche Situationen, in denen man über Äußerungen und Ausfälle hinwegsehen kann von solchen unterscheidet, in denen das eben nicht geht.

Zum Einen kann ich bei Menschen die ich nicht besonders gut kenne, allerdings prinzipiell irgendwie mag recht lang über solche Dinge hinwegsehen. Man kann eben noch nicht bewerten, ob dieser Mensch prinzipiell unaufmerksam ist oder ob es sich gerade um eine Phase handelt, die mir unbekannten Ursachen geschuldet ist. Sicher ist auch da irgendwann Schluss, aber solang ich Personen nicht einschätzen kann, halte ich mich damit auch zurück.

Gleichzeitig kann ich im Bewerten von Situationen bei Menschen die mir wahnsinnig wichtig sind ein unsäglicher Krümelkacker und Prinzipienreiter sein.

Ich habe noch nicht ganz herausgefunden, welcher Logik diese Bewertungen folgen. Zum Einen gibt es Punkte, bei denen ich immer und jedem Menschen gegenüber empfindlich reagiere: Offensichtliche Diskriminierung und Exklusion ist ein echter Painpoint. Wer anderen Personen oder Personengruppen ihre Menschlichkeit aberkennt braucht von meiner Seite aus nicht mehr mit Höflichkeit zu rechnen. Das sind jedoch ziemlich klare Dinge, die meiner Meinung nach auch keiner Weiteren Erläuterung bedürfen.

Schwieriger und irgendwie interessanter finde ich, dass ich je näher mir Menschen stehen, desto unnachgiebiger zu werden scheine. Auch scheine ich mit steigender Nähe mehr vorrauszusetzen. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass ich diese Menschen relativ gut kenne und Situationen bewerten kann und auch bewerte. In solchen reflexiven Momenten kann widerum alles in seinem jeweiligen Kontext verständlich gemacht werden.

Am Ende bleibt ein Widerspruch, an dem ich mich immer wieder ziemlich abarbeite und über dessen Entstehung und Dasein ich noch ein wenig nachdenken muss.

Freitag, 5. September 2014

Das optimierte Ich

In letzter Zeit treibe ich mich wieder etwas verstärkt in diversen Jobportalen rum und werde das Gefühl nicht los, dass es eigentlich nur darum geht, wer dem Personaler am Besten ins Gesicht lügen kann und dem zukünftigen Arbeitgeber den süßesten Honig ums Maul schmiert. Ich habe da keine Lust drauf.

Vielleicht liegt es genau daran, dass ich jetzt den Job habe, den ich halt habe, aber ich sehe auch einfach keinen Sinn darin, meinen Lebenslauf und meine Qualifikationen so lange zu pimpen, bis ich die eierlegende Wollmilchsau bin. Langfristig würde mich das verdammt unzufrieden machen. Es gibt eine ganze Menge Dinge, die mich interessieren, die ich mit Freude lernen würde, allerdings hat so ein Tag den Nachteil, sich auf 24h zu beschränken. Ich gestalte meine Bewerbungen so, dass wirklich ICH da stehe, nicht das, was irgendeine HR-Abteilung meint zu wollen.

Ich sehe keinen Sinn darin, mein recht passables Englisch als "verhandlungssicher" zu deklarieren, weil ich noch nicht einmal weiß, was dieses "verhandlungssicher" oder "sehr gut" im Kontext von Sprachbeherrschung nun genau sein soll. Ich habe keine Lust darauf, meine Interessen und Gebiete in denen ich mich gerade (in meiner Freizeit) weiterbilde als herausragende Qualifikationen anzupreisen - das sind sie einfach noch nicht. Kann ja aber noch werden.

Meiner Meinung nach, hat es aus Personalersicht auch wenig Sinn nach fertigen Kapazitäten zu suchen. Egal was man tut, worauf man sich bewirbt - Einarbeitungszeit ist überall notwendig. Natürlich gibt es Vorraussetzungen. Es macht wenig Sinn, sich als mathematischer Analphabet auf eine Mathematikprofessur zu bewerben allerdings sollte der Schwerpunkt nicht immer auf bescheinigten Fähigkeiten liegen. Viel interessanter sind doch Persönlichkeiten, die ins Team passen und die motiviert sind, sich Kenntnisse anzueignen. Das lässt sich dummerweise nicht mit Zertifikaten prüfen und erfordert einen wesentlich komplizierteren Auswahlprozess.

Es würde mich zu Tode langweilen, wenn ich diese tausenden optimierten Lebensläufe lesen müsste, in denen sowieso nur das drin steht, was ich schon in die Ausschreibung geschrieben habe. Lückenlose Lebensläufe... Xing-Webinare, mit dem Namen "Es gibt keine Lücken im Lebenslauf"... Naja, kommt darauf an, was ego und alter als Lücke definieren.

Und warum sollte es auch ständig die Karriereleiter hinauf gehen - was auch immer das schon wieder sein soll? Wieso sollte man sich nicht auch einmal mit anderen Dingen beschäftigen, ohne gleich eine Zielsetzung dahinter zu definieren? Was hat ein Vorgesetzter von einem Bewerber, der sich auf dem Papier zwar optimiert hat, das rhetorisch auch noch bis zum Ende der Probezeit durchhält und anschliessend zusammenbricht? Was habe ich selbst davon?

Ich habe dieses Streben nach immer mehr gründlich satt. Ich habe keine Lust, mich in dieses sinnentleerte Optimierungsgehabe einzureihen und ich werde es auch nicht tun.

Sonntag, 10. August 2014

Quantifizierung des Lebens

Messbare Größen sind ja manchmal etwas sehr praktisches. Irgendwie weiß man, woran man ist und kann vieles leichter abschätzen. Schwierig wird es nur  dann, wenn das Leben fast ausschließlich aus Zahlen zu bestehen beginnt.

Da wird begonnen, das komplette Leben auszumessen. Als wenn es nicht ausreicht, dass die Zeit des Broterwerbs ständig gegengerechnet wird, fängt man an, auch die Freizeit durchzukalkulieren und einem Erfolgszwang zu unterwerfen.

In diesem Mechanismus wird jede Freizeitaktivität und jedes Hobby unter die Berechnung eines bestimmten Zieles gestellt. Ob das Ziel dabei ein bestimmtes Gewicht, eine bestimmte sportliche Leistung oder irgendeine andere messbare Größe ist, ist meiner Meinung nach vollkommen egal. Solange man das Ziel an sich verfolgt und auch völlig unverbissen vom Plan abweichen kann ist alles in Ordnung. Wenn man aber beginnt, das gesamte Leben nur noch nach Kalorien, Kilometern, Kilogramm, bewältigte Aufgaben, erreichbare Fortschritte auszurichten gehen vermutlich viele Dinge verloren. Wenn ich alles durchzähle bleibt leider recht wenig Raum, einfach mal unvoreingenommen zu genießen.

Ein echter Verlust, wie ich finde.

Donnerstag, 31. Juli 2014

Die Diskussion zur Nation - Klappe die Zweite

Zu meinem Blogpost bezüglich Nationalstolz und WM gab es zwei sehr schöne Reaktionen über die ich mich sehr gefreut habe.  Eine davon möchte ich hier kurz aufgreifen, denn diese Diskussion möchte ich auch gern noch weiterführen.

Sandra Höhne:
[...] Drei Fragen hab ich noch als Denkanstoß, über die ich so gerne diskutieren würde:
1. Berthold Brecht schreibt in seiner "Kinderhymne" von 1950 (Gegenentwurf zur deutschen Nationalhymne): "Und weil wir dies Land verbessern, lieben und beschirmen wir's." Meint er damit den Staat als Verwaltungsapparat? Immerhin können wir daran durch Wahlen und politische Engagement einfluss nehmen. Oder ist eine Liebe zum Staat noch abwegiger als Nationalstolz?
2. War die deutsche Teilung auch deshalb so schmerzhaft, weil sie eine Nation geteilt hat? Oder wurden vor allem die Repressalien in der DDR als negativ empfunden? Könnten heute ohne Probleme zwei demokratische deutsche Staaten koexistieren?
3. In Belgien wird immer mal wieder die Regierung lahmgelegt, weil die beiden Volksgruppen sich nicht auf eine gemeinsame Führung einigen können. Es wird sogar ein Zerbrechen des Staates nicht ausgeschlossen. Ist das Quatsch, was die da machen? Ist es Quatsch, in "Völker" einzuteilen? Wie bewertet man dann z.B. die baskische Unabhängigkeitsbewegung?

Ich habe das Gefühl, das Thema erst angeschnitten zu haben.

@Sandra, über den Begriff der Nation habe ich schon seit längerem vor, einen ausführlichen Blogpost zu schreiben. Ich stehe dem ganzen relativ kritisch gegenüber. Ganz unabhängig von meiner Position hat dieses Konstrukt jedoch leider sehr bittere und sehr reale Auswirkungen. Aber das ganze ist derart komplex, dass ich mich immer wieder in meinen eigenen Gedanken verheddere - wird wohl noch etwas dauern bis ich da einen ausgereiften Standpunkt finde, der auch schlüssig argumentiert werden kann.

Zu deinen Fragen:
1. Eine gute Frage, was Bert Brecht wohl meinte, ob er den Begriff der Nation oder des Staates an der Stelle in Frage gestellt hat oder nicht. Wenn ich allerdings davon ausgehe, dass ein Land mit seinen geografischen Grenzen gemeint ist (unabhängig von politischen Interpretationen) und diesem höchstens eine Verwaltungseinheit zur Seite Stelle, um damit "arbeiten" zu können, halte ich die Liebe zu diesem Land (Landschaften etc.) für überhaupt nicht abwegig; Stolz allerdings schon. Interpretiere ich das Land aber als Nation und Staat dann beginne ich mich zu fragen, was daran ich liebe und warum. Dennoch ist die Liebe zu etwas was man selbst nicht beeinflusst hat für mich irgendwie verständlicher als der Stolz auf etwas, was völlig abseits der eignen Person steht.

2. Puh, dünnes Eis... Ich glaube tatsächlich, dass die Trennung Deutschlands vor allem deshalb so schmerzhaft war, weil sie zum einen von außen kam und in ihrer Wirkung die Kommunikation zwischen den Menschen verhindert hat. Damit wurde einer rationalen Lösung etwas emotionales hinzugefügt, was extrem gefährlich ist. Wenn ich den Staat an sich nicht in Frage stelle - es können immer verschiedene demokratische Staaten nebeneinander koexistieren. Die Frage ist, wann jemand auf die Idee kommt in einem nationalisierenden Gedanken die Einheit des "Volkes" und des Bodens zu proklamieren; denn dann wird es kritisch.

3. Eines der riesigen Probleme des Nationsbegriff ist, dass jede Nation nur eine Titularnation sein kann und aufgrund gesellschaftlicher Realitäten verschiedene Ethnien in sich vereint. Ich glaube die meisten ethnischen Konflikte innerhalb von Staaten sind von dem Wunsch auf Anerkennung, Souveränität und Angst vor dem Verlust derselben geprägt. Diese Punkte beinhalten verdammt viele Unterpunkte - unter anderem politische Macht, Wirtschaft und Verwaltungshoheit - die wiederum ineinander verstrickt sind. Nation ist dabei ein dankbares Konzept, in was das alles reingepresst werden kann um mit all diesen Dingen umgehen zu können ohne komplett den Kopf zu verlieren. Leider ist dieses Konzept nicht nur dankbar und praktisch, sondern auch gefährlich, da in diese Komplexität alles mögliche an Emotionen einfließen lässt und hineingelegt werden kann. Dieser kaum noch auseinanderzuhaltende Wust an Emotionen lässt sich nun sehr leicht benutzen, um die Mitglieder einer "Nation" gegen einen potentiellen Feind aufzuwiegeln; Angst und Hass zu schüren.

Ich glaube nicht, dass man dieses Thema komplett ausdiskutieren kann - es ist einfach verdammt komplex. Dennoch halte ich es für wichtig, diese tradierten Konstrukte immer mal wieder zu entstauben und in Frage zu stellen, was damit überhaupt noch gemeint ist, warum wir so sehr daran gewöhnt sind und welche Folgen sie haben können.

Donnerstag, 24. Juli 2014

...

Zur Zeit fällt mir das schreiben ziemilch schwer. Es gibt so unglaublich viele Themen, die mir auf der Seele brennen, dass ich mich kaum für etwas entscheiden kann. Da könnte man zwar sagen, kein Problem - jeden Tag ein Post und die Sache sieht schon besser aus. Ich hab auch recht häufig angesetzt zu schreiben, aber immer wieder gemerkt, dass ich den Themen einfach nicht gerecht werden kann. Jeder Versuch über die Problematik von Nation, Stigmatisierung aufgrund Nationalisierung, Xenophobie und diesbezüglich unzulässige Vereinfachungen zu schreiben, endete selbst entweder in einer unerträglichen Vereinfachung oder verlor sich derart im Detail, dass ich den Text auch nach vielen Versuchen nicht so recht zu strukturieren vermochte.

Das Weltgeschehen zur Zeit macht mich ratlos, ängstlich und wütend. Ich verstehe das alles nicht. Ich habe keine Ahnung, wie man es schafft auf in Krieg gegipfelten Nationalismus mit Schmähschriften, Genozidaufrufen und Nationalismus zu antworten. Damit meine ich explizit nicht die vor Ort betroffenen Menschen, sondern Vertreter der Politik und andere ganz besonders schlaue Menschen, die der Meinung sind es gäbe eine "richtige Seite".

Diese vielen Kriege, dieser Hass, diese Heuchelei  - es ekelt mich an und es lähmt mich. Aber es bewegt mich auch und ich will darüber schreiben, nur weiß ich überhaupt nicht wie. Jeder Versuch ist eine unzulässige Vereinfachung und ich weiß viel zu wenig über Hintergründe.

Sonntag, 6. Juli 2014

Schwenkt die Flaggen

Ich verstehe nicht, was alle zwei bis vier Jahre im Zuge von Fußballmeisterschaften vor sich geht. Auf einmal rennen Unmengen von Menschen beflaggt durch die Gegend. Einige Gebiete sind kaum mehr betretbar, ohne dass einem von irgendwoher der Partynationalismus entgegenschwallt. Menschen rennen über die Straße und brüllen laut ihre Nationalität und wissen doch eigentlich gar nicht warum. Ich verstehe einfach nicht, was das soll.

Mein Problem beschreibt nicht etwa die Abneigung gegen eine bestimmte Flagge. Der hierzu über diverse Medien verbreitete Post geht meilenweit an der Grundthematik vorbei. Mein Problem ist das Konstrukt der Nation, mit dem sich Menschen massenweise identifizieren und unreflektiert die zugehörigen Fahnen schwingen.
Abgesehen davon, dass Gebiete administrativ voneinander getrennt werden und Symboliken entworfen werden, die sich sehr leicht als Wappen für Menschen und damit als Identifikationsmittel eignen - was ist denn eine Nation? Mein Problem ist auch nicht der Fußball, dem ich durchaus etwas abgewinnen kann. Mein Problem sind grölende Menschen, die mich mit Nationalfarben anmalen möchten (wirklich passiert), obwohl sie von Fußball nun wirklich gar nichts verstehen. Mein Problem ist, dass das Feiern um den Sieg in einem sportlichen Wettkampf in vollkommen unreflektierten Partynationalismus ausartet. Dabei ist es absolut irrelevant, welche Nation vertreten wird.

Wenn ich mir den Stolz auf irgendeine Nation anschaue werde ich einfach nicht schlau daraus, worauf man dan stolz sein kann. Man kann sich sicherlich glücklich schätzen, in einer bestimmten Region geboren und aufgewachsen zu sein, weil das unglaubliche Privilegien mit sich bringt. Man kann auch die Landschaft mögen bis lieben und sich wahnsinnig an seinem Daseinsort wohl fühlen. Aber was hat das mit Nation zu tun? Und was hat das mit Stolz zu tun? Wie kann ich auf etwas stolz sein, wofür ich doch gar nichts kann? Gibt es analog zum Fremdschämen auch einen Fremdstolz?

Sonntag, 29. Juni 2014

Urlaub könnte immer sein!

Inzwischen ist es schon wieder fast zwei Wochen her, dass wir uns auf unseren Stahlrössern durch Frankreich bewegten. Es war einfach grandios. Insgesamt waren wir 8 Tage nur mit unseren Rädern unterwegs, haben 1037 Kilometer zurückgelegt und etwa 2500 Höhenmeter bezwungen. Fünf weitere Tage haben wir dem Wein- und Speisegenuss gefrönt - und das nicht zu knapp.

Tag 1 Kreuzlingen - Lörach: Ziemlich aufgeregt bepackten wir die Räder. In der Hoffnung nichts wichtiges vergessen zu haben und neugierig radelten wir los. Ursprünglich dachten wir, dank Routenplanung und Fahrradnavi (mit angeblicher Offlinenavigation) gut ausgerüstet zu sein. Nun gut. Bis Basel sollte es kein Problem sein - nur der Rheinroute entlang. Eine wahre Augenweide dieser Fluss.
Bereits bei der ersten Zeltplatzsuche bemerkten wir, wie phänomenal diese Offlinenavigation funktionierte - gar nicht! Die Suche nach dem Zeltplatz bescherte uns gute 10 km Umweg und lockere 2 Stunden Nervsuche, bis wir endlich gerade noch im Hellen unser Lager aufschlagen konnten.

Tag 2 Lörach - Montbéliard: Nun ging es auf Richtung Frankreich. Auch hier mit eher nicht funktionierender Routenplanung, dafür aber einem weiteren Gerät, was zumindest die Wegführung etwas klarer machte. Mit dessen Hilfe schafften wir es letztendlich auch, unser Ziel (Marseille) zu erreichen. Die Strecke am Rhein-Rhône-Kanal war wunderschön flach und führte uns immer am Kanal entlang durch wunderschöne Waldstückchen. Die ursprüngliche Annahme war, dass es ja wohl kein Problem sein könne entlang der Eurovelo6 einen Zeltplatz zu finden - Pustekuchen. Nach einiger Suche und erneuten 14 km Umweg (außerdem noch 3 Berge weiter) fanden wir einen kleinen und charmanten Zeltplatz.

Tag 3 Montbéliard - Besançon: Der einzige etwas verregnete Tag, aber so eine kleine Erfrischung war irgendwie schon fast willkommen. Aufgrund des Regens fuhren wir nur eine etwas kleinere Etappe, und gingen relativ früh schlafen. Inzwischen spürten wir die Anstrengung etwas und beschlossen, nach der Etappe nach Chalon einen Ruhetag einzulegen.

Tag 4 Besançon - Chalon sur Saône: Ab jetzt bewegten wir uns stetig Richtung Süden und der Wind kam uns dabei schon begeistert entgegen. Viele kleine und hübsche alte Dörfer lagen immer wieder auf dem Weg. Auf der Landstraße zu fahren hat durchaus seinen eingenen Reiz. In den Pausen bereiteten wir uns ab jetzt nicht mehr die (auch sehr leckeren) Suppen, die wir mitgenommen hatten sondern kehrten in kleinen Imbissen ein und genossen die Vielfalt von Käse und Gebäck. In Chalon angekommen trafen wir einen Zeltplatz an, der tatsächlich SEHR schön war. Unglaublich sauber, eine relativ große Zeltwiese, kostenloses WLAN und direkt am Fluss.

Tag 5 Pause und Essen: Eigentlich sind wir nur ein wenig durch die Stadt gegangen, kehrten in einem kleinen aber wirklich guten Restaurant ein und liesen uns die Sonne auf die Pelze scheinen - Erholung und Vorfreude auf den Rest der Tour.

Tag 6 Chalon sur Saône - Villefranche sur Saône (kurz vor Lyon): Ab jetzt ging es nur noch direkt Richtung Süden. Eine sehr abwechslungsreiche Strecke. Sie begann mit einer Tour, die direkt auf einer ehemaligen Eisenbahnstrecke entlangführte und änderte sich plötzlich in absolute Hügellandschaft. In einer scharfen Kurve fiel mir mein voll bepacktes Rad auf den Oberschenkel - autsch und quetsch. Der Rest der Tour war zwar schön aber doch auch recht schmerzhaft, weshalb wir es dann doch nicht mehr bis Lyon geschafft haben, sondern kurz vorher einen Campingplatz suchten. Das schmerzbedingte langsame Vorrankommen bescherte uns aber dafür eine recht ausgedehnte Mittagspause mit unglaublich vielen tollen Leckereinen. So langsam wurde das Schlemmern des Urlaubs eingeläutet.

Tag 7 Villefranche sur Saône - Tournon sur Rhône: Ein sehr gemütlicher Flussradeltag mit relativ wenig Landstraße und sehr vielen schönen Weingebieten. Die Schmerzen vom Vortag waren schon fast wieder weg und der Radwandergenuss nach einigen Meinungsverschiedenheiten auch wieder da. Hauptsache Spaß und so direkt am Wasser mit derartig großen Flüssen ist das fast schon garantiert.

Tag 8 Tournon sur Rhône - Mondragon (kurz vor Avignon): Der vorletzte Tag und so langsam begannen die Hintern zu schmerzen. Das Ziel rückte näher und eigentlich wollten wir nur noch ins Meer. Immernoch eine sehr schöne Strecke, die aufgrund ausgedehnter Anbaugebiete die Lust auf Wein enorm fördert.

Tag 9 Mondragon - Martigues: Der Endspurt. Wir wurden auf einmal schneller, die Kilometer flogen nur so an uns vorbei und wir rechneten jeden Moment damit, endlich das Meer sehen zu können. Nur hatten wir diese Rechnung ohne die Rhône-Alpen gemacht. 30 Kilometer vorm errechneten Ziel bauten sich recht gemeine Berge auf und kaum hatten wir einen bezwungen sahen wir den nächsten schon wieder vor uns - und das obwohl wir schon 100 km in den Beinen hatten. Aber egal, wir hofften eigentlich noch an diesem Tag ins Meer zu kommen. Aber daraus wurde nichts. 22 Uhr kamen wir an dem Campingplatz an, wo wir bleiben wollten und wurden verjagt - zu spät, die Rezeption hat schon zu. Also auf die Suche nach einem anderen gemacht. Schön war er nicht, aber wir konnten für einen Nacht bleiben.

Tage 10-14: Noch kurz nach Carry le Rouet gefahren, einen Campingplatz gesucht und endlich ans Wasser!!! Ab jetzt nur noch Wein trinken, Käse essen und Krabben zählen. Es war ein Traum. Der Strand war ein Traum! Er hatte nichts von diesem üblichen Einsamer-Sandstrand-Romantik-Dingens aber dafür Felsen, der Badewannenähnlich geformt eine wunderbare Liegefläche bot, Krabben, die direkt vor uns Sonne tankten und unglaublich klares Wasser mit angenehm wenig Menschen drin.
An einem Tag ging es nach Marseille - eine Stadt in der man durchaus leben könnte. Der erste Eindruck: bunt. Viele verschiedene Menschen und vor allem in kulinarischer Hinsicht betörend marokkanisch beeinflusst.

Tag 15: Wir hätten auf die Zeichen hören sollen. Erst regnet es derart in Strömen, dass wir uns richtig hätten zwingen müssen, die Räder zu besteigen und nach Marseille zu fahren, dann wird bei der französischen Bahn gestreikt und unser Zug fuhr nicht. Eine durchaus angenehme Lösung wäre gewesen: einfach da bleiben. Ging leider nicht, also fuhren wir nach Gewitterende doch noch die letzten 30 km des Urlaubs und nahmen einen anderen Zug, um im Anschlusszug trotz Sitzplatzreservierung in akrobatischer Manier unsere Räder im Türbereich des Zuges zu positionieren. Letztendlich verpassten wir den letzten Zug nach Konstanz und verlängerten unfreiwillig um einen weiteren Tag im Zelt.

Fazit: Jeder Tag hatte seine eigenen miesen Tücken. Unterm Strich war es einfach phantastisch! Urlaub sollte immer sein! Ich will vom Krabbenzählen und Käseessen leben können.



Samstag, 31. Mai 2014

Vorfreude

Fast hätte ich geschrieben, dass ich mich gar nicht mehr erinnern kann, wann ich eine derartige Vorfreude empfunden habe, aber ich bin offensichtlich verdammt vergesslich. So lang ist es noch gar nicht her, freute ich mich doch erst zu Beginn diesen Jahres auf den Umzug und Zusammenzug mit meinem Freund, der mich zu einem #hach-Sturm veranlasste.

Nun ist es endlich soweit und der erste richtige Urlaub seit Jahren steht an. Das letzte Mal war ich kurz nach dem Abi im Urlaub und das ist mittlerweile gute 10 Jahre her (verdammt...). Alle anderen Reisen hatten Ausbildungsziele und dienten aufgrund von erheblichem Lernaufwand und Forschungstätigkeit allem aber mit Sicherheit nicht der Entspannung.

Nun sind es nur noch 2 Tage und es geht endlich wieder los. Ganze zwei Wochen habe ich nichts zu tun, als mit meinem Freund das Leben zu genießen und gemütlich in die Pedale zu treten. Die erste Etappe wird wohl etwas weiter, ist dafür aber auch sehr schön und flach. In 10 Tagen wollen wir mit unseren frisch erstandenen Stahlrössern nach Marseille fahren. Wenn es schneller geht, haben wir mehr Zeit in Marseille, wenn es länger dauert weniger. Ist aber auch völlig egal, denn die Zeit wird reichen und die Rückfahrt ist (leider) auch schon gesichert.

Der erste Urlaub seit 10 Jahren, ich krieg mich kaum wieder ein. Eine unglaubliche Vorfreude, ich wünschte, ihr könntet sie spüren.

Montag, 19. Mai 2014

Diese Diskussion über Erfolg

Inspiriert von einer Abbildung, habe ich letzte Woche folgenden Tweet/Post
in meine Timeline geworfen. Der Post rief auf Facebook eine längere Diskussion über Erfolg und Scheitern hervor, was mich zugegebenermaßen etwas überrascht hat. Eigentlich musste das nur mal kurz raus.

Was hat mich aber an diesem Bild so sehr gestört? Eigentlich gleich mehreres. Der eine Punkt ist, dass diese Abbildung suggeriert, dass Scheitern ein zwangsläufiger Teil des Weges zum Erfolg ist - eigentlich nur ein Knick in der Laufbahn. Dem ist nicht so! Scheitern bedeutet einen Endpunkt und ist alles andere als ein Teil der Erfolgslaufbahn, schön, sexy und was da sonst noch alles für Blüten kursieren. Scheitern tut weh und sollte als Endpunkt ohne weitere Aussichten anerkannt werden dürfen. Wenn ich auch noch beim Scheitern unter Erfolgsdruck stehen soll, bekomme ich schon beim Gedanken daran einen Schreikrampf. Es kann ja sein, dass aus der Erfahrung eines Scheiterns etwas heranwächst, was ich persönlich als Erfolg empfinde oder was andere als Erfolg an mir empfinden - muss aber nicht und ist in diesem Moment auch vollkommen egal.

Der zweite Punkt ist, dass impliziert wird, es sei klar was Erfolg ist. Ich habe damit so meine Probleme. Ist Erfolg etwas, was ich für mich persönlich definiere? Wenn ja, warum muss man ständig darüber reden und warum wird das im Allgemeinen so wichtig genommen? Wieso gibt es Unmengen an Beratungsliteratur (dieses Genre ist dabei ein Thema für sich - grmpf), wenn Erfolg doch etwas individuelles ist?
Wenn es hingegen nichts persönliches ist, frage ich mich, warum ich danach streben sollte, erfolgreich zu sein. Gibt es irgendeinen wirklich objektiven Vorteil oder geht es nur darum, Leute zu beeindrucken, die einem menschlich eigentlich egal sind? Oder ist es einfach so, dass das ja so zu sein hat und damit einfacher ist, als zu hinterfragen?

Häufig höre ich von Bekannten, dass sie Menschen als erfolgreich einordnen, die eine gewisse Führungsposition im Job haben, gewisse akademische Titel tragen, gewisses Geld angehäuft haben, gewisses Haus gebaut haben und gewisse Ehe mit Kindern führen. Wie sich diese Menschen fühlen, bleibt dabei völlig außen vor. Die meisten Leute, die sich in solchen Leben mit klaren Verläufen befinden, brechen irgendwann aus und wissen gar nicht woraus und warum - denn eigentlich war ja alles in Ordnung und man war ja erfolgreich. Dann heißt es auf einmal, Erfolg ist nicht alles. Aber war das Erfolg?

Ich persönlich verfolge keines dieser Ziele explizit. Es gibt Momente, in denen sich das verdammt komisch anfühlt, denn es wird von vielen erwartet dass ich weiß, wo das alles hinführt. Nö, weiß ich nicht! Und das ist OK so. Bislang ist mir mein Leben noch nicht um die Ohren geflogen, nur weil ich keinen Masterplan habe. Dafür hat es aber immer mal wieder Wendungen genommen, bei denen ich mich erstmal sehr gründlich umschauen musste, um mich wieder zu orientieren. Das mag ich, das macht mir Spaß und ich habe keine Lust, mir diese Kreativität durch Erfolgsdruck und ständigem Verfolgen von Zielen selbst zu zerstören. Und nein - das ist kein Ziel, sondern ein Verlauf.

Donnerstag, 15. Mai 2014

Die eigene Suppe - Preaching to the Converted

Da es inzwischen (wie zu erwarten war) genügend Hymnen auf die re:publica gab, werde ich meine Einschätzung hier kurz halten: Es war toll, bereichernd, interessant, anregend und ich hab tolle Menschen, gesehen, wiedergesehen, kennengelernt, gehört und vieles mehr. Ich werde definitiv wiederkommen und freue mich jetzt schon darauf.
Das muss an dieser Stelle reichen, denn viele kommende Blogposts werden zumindest indirekt von dem re:publica-Input angestoßen sein.

Was ich zur Zeit wesentlich interessanter finde, sind Gedanken, die mir auf der re:publica gekommen sind. Ich habe festgestellt, dass ich MINDESTENS zweimal im Jahr eine Konferenz oder ein Barcamp brauche, um mich aufrecht zu erhalten. Mir geht es während dessen einfach gut und ich kann ziemlich lang (Dank Streaming und Podcasts) von dem, was mich dort bereicherte zehren. Danach wird es aber höchste Zeit, wieder das nächste aufzusuchen, sonst bekomme ich das Gefühl zu verkümmern.
Ich habe mich gefragt, woran das wohl liegen mag und kam nur auf die Antwort: ich muss in der eigenen Suppe der "Ähnlich-Gestrickten" schwimmen, um Kraft zu tanken. Dieses regelmäßige Einrennen offener Türen bestärkt mich darin, dass es sich lohnt, für meine Ziele einzustehen, es pusht mich, wieder aktiv zu werden und füttert mich mit Ideen, die meinen recht ähnlich sind oder doch zumindest ins selbe Ideologieschema passen.

Das Problem dabei ist, dass Lebensentwürfe, die dem eigenen entgegenstehen oder andere Konzepte enthalten auf einmal als völlig absurd wahrgenommen werden. Ein gutes Beispiel dafür war die Session über Menschen, die das Netz nicht nutzen. Die Session selbst war eher für ein soziologisches Publikum gemacht (die Länge der Methodenreflexion wirkte etwas unpassend)  und die Fragestellung wie auch die dahinterstehende Forschung sehr interessant. Die Twitterkommentare haben das nur bestätigt. Es hagelte nur so von ungläubigen bis verächtlichen Tweets - da hat wohl jemand die Suppe anders als gewohnt gewürzt.
Das es Menschen gibt, die das Netz freiwillig nicht nutzen, schien vielen Teilnehmern auf der re:publica vorzukommen wie die Existenz eines pink-blau-gold besprenkelten Elefanten.

Die Reaktionen auf diesen Vortrag haben mich stutzen lassen und zum Nachdenken gebracht. Ich sitze auch sehr gern da, lausche schlauen Worten und nicke bedächtig vor mich hin, weil ich diesen famos ausformulierten Gedanken nur zustimmen kann, weil mich beeindruckt, was die da vorn alles wissen, und wie es ausgedrückt werden kann. Ich lerne vieles dazu, vor allem fachlich. Mich beeindruckt das Wissen und die Sprachfertigkeit. Ich genieße es, unter diesen Menschen zu sein, die wissbegierig sind und ihr Wissen teilen.
Verstörend hingegen finde ich den Spott, der teilweise Menschen entgegen gebracht wird, die diese Welt (noch) nicht betreten haben, die einfach Angst davor haben, die Dinge nicht durchschauen und sich darüber im klaren sind. Diese Irritation hat bewirkt, dass meine Filterbubble ein Stück aufgegangen ist und ich angefangen habe, darüber zu reflektieren, warum ich eigentlich da bin.

Klar, ich will lernen und ich will interessante Menschen treffen und hören. Aber das allein ist nicht der Grund, weshalb ich derartig viel Geld ausgebe, um auf der re:publica zu sein und große Teile meines Jahresurlaubs dafür hergebe, Konferenzen und Barcamps zu besuchen und teilweise mitzugestalten. Der eigentliche Grund ist, dass sie mir helfen, mich selbst zu erhalten. Ich brauche dieses Schwimmen in der eigenen Suppe, um im Alltag Kraft zu haben, meine Ziele zu verfolgen. Ich brauche diesen Input und diese Gespräche, um mich wieder motivieren zu können. Eigentlich ist doch eine Konferenz neben dem Lerneffekt zum Großen Teil Selbstdarstellung und kollektive Selbstbestätigung. Es tut so gut, und ich brauch das immer wieder.

Montag, 12. Mai 2014

Erinnerung

Gerade bin ich wieder über einen Post mit einer Person gestoßen, die in den letzten Jahren beschlossen hat, nicht weiterzuleben. Es ist nicht so, dass wir uns näher kannten, aber immer wenn ich an diese Person denke und mit diesem Freitod in Berührung komme, kann ich nicht schlafen. Freunde von mir kannten ihn sehr gut und sind durch eine tiefe Trauer gegangen, wohingegen ich erst sehr spät davon erfahren ist, was ja bei diesem persönlichen Abstand auch normal ist.

Wir sind uns nur ein paar mal an sehr angenehmen Abenden im Freundeskreis begegnet und ich habe ihn in sehr positiver Erinnerung. Ich kannte ihn noch nicht einmal gut genug, um wirklich etwas über die Persönlichkeit sagen zu können - dennoch geht mir sein Tod recht nah. Ich weiß nicht warum, aber es berührt mich und so wirklich kann ich es nicht verstehen.

Letztes Jahr bin ich zufällig über die Todesnachricht gestolpert und habe mir die halbe Nacht sein Facebook-Profil durchgelesen. Keine Ahnung warum, aber es ging nicht anders.

Vielleicht ist es die Sympathie zu einem Menschen, dem ich nicht allzulang vor seinem Tod begegnet bin, vielleicht ist es die emotionale Nähe, die ich zu den Menschen fühle, die ihm nahe standen. Eigentlich ist es auch egal, woher das kommt: Ich bin einfach sehr berührt und in Gedanken besonders bei denen, die ihm nahe waren.

Das Einzige, was bei dieser Erinnerung immer klarer wird - ich will den Menschen die mir nah sind immer wieder eines sagen: Ihr seid klasse, ich bin unglaublich dankbar, dass es euch gibt und ich liebe euch!

Sonntag, 11. Mai 2014

Eine Zugfahrt...

Ursprünglich war hier ein Blogpost zur re:publica gelant, bei der ich letzte Woche war, aber der muss noch wachsen. Diese drei Tage waren so intensiv, dass ich erst noch entscheiden muss, was hier verarbeitet wird und wie.

Stattdessen kann ja durchaus auch mal der Weg zum Thema werden. Den meisten Menschen graut es vor langen Bus- und Zugfahrten - ich liebe sie. OK, der Hinfahrt hätte deutlich mehr Schlaf vorausgehen können, die Rückfahrt wäre ohne fette Erkältung deutlich entspannter gewesen aber seis drum.

Ich liebe es, in Ruhe Podcasts zu hören und da meine Freizeit sonst mit unglaublich vielen anderen Dingen vollgestopft ist, die ich ebenso genieße, lagert bei mir ein unermesslicher Podcastschatz, der nur darauf wartet, von mir gehoben zu werden - und der wird täglich größer.

Da ein Hang zur Reisekrankheit hindert mich glücklicherweise daran, im Bus und Zug zu lesen, also komme ich endlich dazu, mich in den Untiefen meines Schatzes umzusehen und bin immer wieder begeistert: So viele neue spannende Themen und dabei völlig entspannt in die Landschaft schauen. Ja, ich liebe lange Zugfahrten.

Donnerstag, 24. April 2014

Wenn die Form zum Inhalt wird

Eigentlich bin ich verdammt froh, dass politische Themen gerade in großer Breite vorhanden sind. Menschen, die bislang eigentlich eher unpolitisch waren oder sich kaum äußerten, entdecken ihre Stimme und diskutieren mit. Das finde ich toll! Das ist unterstützenswert und sollte weiter gefördert werden.
Eine der Ursachen, dass so viele Menschen sich nicht um Gesellschaftsgestaltung kümmerten war die Art, wie über Politik gesprochen wird. Die Bewegung im Internet hat das stark verändert. Unglaublich effektive Kanäle zur Nachrichtenverbreitung sind dabei aufgegangen und werden stark genutzt. Aufgrund der Nutzung dieser Kanäle von vielen Menschen für ein breites Publikum hat sich die Wortwahl verändert. Verklausulierter Politsprech wird durch klare und leicht zu erfassende Botschaften ersetzt, sodass wirklich jeder mitreden kann. Dass bei dieser Vereinfachung gewisse Nuancen verloren gehen, die sich nur bei genauer Beschäftigung erschließen ist dabei normal und wie ich finde auch verschmerzbar.

Schwierig wird diese Vereinfachung aber, wenn aus leicht verständlichen Aussagen Parolen und Verschwörungstheorien werden. Es ist gefährlich, wenn aus berechtigter Kritik Medienarbeit und Politik Hetze wird. Die Formulierung "wir werden verkauft und verraten" hat mit konstruktiver und reflektierter Kritik nichts zu tun und Vereinfachung muss nicht dazu führen, dass alles über einen Kamm geschert wird.

Die Prozesse in der Ukraine sind gerade einer der Haken, an dem alle möglichen Debatten hängen. Die Sache gestaltet sich etwas schwieriger, als dargestellt (egal von wem) aber es ist nicht notwendig, sich in Verschwörungstheorien und Hetze zu ergehen, um die Einseitigkeit der Berichterstattung zu kritisieren. Ich greif hier einfach mal ein paar Punkte auf:

1. Der Protest in der Ukraine wurde von westlichen Geldern finanziert, um die unliebsame Regierung zu stürzen.

Sorry, aber da werd ich echt sauer. Ich hab schon an anderer Stelle darüber geschrieben und ich halte es immer noch für ein Unding, dass Menschen, die sich vier Monate im a...kalten ukrainischen Winter auf die Straße stellen, unterstellt wird, sie seien nur gekauft. Natürlich sind Gelder geflossen und die Information der Bevölkerung außerhalb der staatlichen Dinge geschieht durch außerstaatliche Organisationen - das sind NGOs. Diese bekommen ihr Geld IMMER von Personen (juristische oder echte), die mit dieser Gabe bestimmte Zwecke verfolgen. Klar, stimmt schon. Aber dann zu sagen, der ganze Protest sei gekauft geht nun wirklich zu weit und entzieht dem demokratischen Prozess an sich im Namen der Demokratie jede Grundlage.

2. Die neue Regierung in der Ukraine ist rechtspopulistisch und nicht demokratisch legitimiert.

Dazu gibt es nicht viel mehr zu sagen als: Ja und es ist untragbar, dass rechtspopulisten derart hofiert werden. Dennoch ist auch das kein Grund, dem vorgängigen demokratischen Prozess vollständig zu niegieren und alles über einen Kamm zu scheren - ich bitte um Differenzierung!

3. Russland hat einen legitimen Anspruch auf die Krim und tut nur recht damit, seine Bevölkerung in diesen Regionen zu schützen.

Die Welt hat sich seit 1989 weitergedreht. Es gibt keine legitimen territorialen Ansprüche Russlands in der Ukraine. Selbst die Stadt Sevastopol' stand nicht mehr unter russischer Regierung. Der Deal war, dass Russland die Ukraine mit Öl und Gas zu "Sonderkonditionen" (immer abgesehen von besonders kalten Wintern, wenn die ukrainische Politik nicht in russische Strategie passte) beliefert und dafür ihre Kriegsschiffe im Hafen liegen lassen darf.
Auch bezüglich der "Volksabstimmung" muss differenziert werden. Wenn argumentiert wird, dass das Referendum demokratisch war, weil die Mehrheitsbevölkerung auf der Krim russisch ist, gibt es eher ein klares Jein. Das Referendum war nicht demokratisch - es wäre unter demokratisch kontrollierten Bedinungen in der Geschwindigkeit gar nicht durchführbar gewesen. Allerdings wäre das Ergebnis kein anderes gewesen, denn die Mehrheitsverhältnisse sind wirklich klar. Schwierig wird es an der Stelle, wenn es um die Rolle ethnischer Minderheiten auf der Krim geht. Es gibt eine verdammt dramatische Geschichte der Krimtataren. Diese Gruppierung (und sie sind nicht die einzige Minderheit unter Bedrängnis) hat einen ausgesprochen schwierigen Stand auf der Krim - bereits unter ukrainischer Regierung, die Aussichten unter russischer Regierung sind dabei nicht besser.

Bei der Bewertung all dieser Vorgänge muss die Geschichte mit einbezogen werden und zwar vielschichtig. Einfach die bösen westlichen Medien der Ignoranz und Meinungsmache zu bezichtigen und alle Prozesse, die in deren Darstellung demokratisch sind als undemokratisch und verschworen zu erklären greift nicht nur zu kurz, sondern ist gefährlich.

Was dabei, neben dem verschwörerischem Inhalt, sehr gefährlich ist, ist die Art und Weise. Es werden territoriale Ansprüche für legitim erklärt, die de jure nicht existieren, es werden Medien komplett als unseriös dargestellt, ohne eine ernsthafte Prüfung durchzuführen und ohne mit diesen in Dialog zu treten. All dies geschieht unter dem Deckmantel der "Demokratierettung" und dem Slogan "Deutsche, lasst euch nicht hinters Licht führen". Ein weiterer Slogan, der auch gern hinsichtlich der NSA-Affäre gebraucht wird (ebenso einseitig und hetzerisch dargestellt) "Deutsche, ihr werdet verraten" und "Merkel verkauft euer Vertrauen" nebst "Deutsche, wehrt euch endlich".

Wenn ich so viel nationalistisch betonte Aufforderungen lese, die im Namen der Demokratie geäußert werden, mit derart einseitiger Recherche und so viel Vergangenheitsverleugnung (Geheimdienste gibt es nicht erst seit 2 Jahren und sie standen schon immer außerhalb des Gesetzes. Das Geheime ist die Natur eines Geheimdienstes) wird mir ganz anders.

Bitte Leute, macht weiter, politische Inhalte zu konsumieren, diese zu diskutieren und zu teilen. Das ist gut und die Grundlage von Demokratie. Passt aber bitte auf, dass ihr nicht bei ebendieser Debatte nationalistischen Parolen erliegt - das ist leider verdammt gefährlich. Die Leute, die sich im Netz gerade unter dem Deckmäntelchen der "Volksvertreter" breit machen und laut nach "Gerechtigkeit für das Volk" verlangen scheinen mir keine besonders großen Demokratiefreunde zu sein. Macht weiter mit dem, was ihr tut, aber seid bitte vorsichtig.

Montag, 14. April 2014

Willkommen in der Gegenwart

Es gibt so Momente, in denen ich mich frage, wer hier eigentlich im falschen Zeitalter lebt. Gestern, während der Arbeit war es mal wieder soweit. Da höre ich doch tatsächlich so ein paar Typen im Hintergrund über die Damenwelt desselben Unternehmens sprechen. Die gefallenen Sätze möchte ich in meinem Blog nicht wi(e)dergeben - derart sexistische Inhalte haben hier nichts zu suchen. Nur soviel: Die Frauen, über die gesprochen wurde, haben offensichtlich den fatalen Fehler begangen, Sex zu haben. Die beteiligten Herren hielten es mit der Diskretion wohl nicht sonderlich genau, das Resultat ist eine Reduzierung des weiblichen Parts auf die "Entehrung".
Dieselben Herren, äußerten sich anschließend darüber, dass eine Kollegin mit türkischem Hintergrund ja wohl das Allerletzte sei, weil sie bei der Arbeit flirte. Den Rest will ich hier nicht aufschreiben, mir ist spontan relativ übel geworden und ich will diesen Effekt nicht auch noch beim Bloggen erleben.

Das sind Momente, in denen der eigentlich versteckte Sexismus und Rassismus am Arbeitsplatz offensichtlich wird. Selbstverständlich sind das dieselben Herren, die natürlich nie ein Problem damit haben, wenn eine Frau tut, was sie will. Das dies allerdings niemals ihre Sexualität betreffen darf, bleibt dabei unerwähnt. Ich will hier die entsprechenden Klischees nicht bedienen, das wird von anderen mehr als genug getan. Ich habe auch keine Lust, die offensichtliche Sexualität dieser Herren ihren Äußerungen über Frauen entgegenzustellen - darum geht es nicht. Es geht darum, dass Frauen auf ihre Sexualität reduziert werden, sobald diese (und sei es auch nur am Rande) wahrnehmbar wird.

Und jetzt mal ganz abgesehen davon, dass Gender nicht nur in der Dualität von Mann und Frau existiert und Heterosexualität nicht das einzig mögliche ist: wieso kommen genau diese Herren auf den Gedanken, dass nur die Damen billig seien? Haben die nur einen Hauch einer Ahnung, wie ekelhaft es ist, diese Gespräche anzuhören? Aber vermutlich würde dieser Gedanke jede Kapazität übersteigen.

Wer spricht denn da wirklich von Gleichberechtigung?  Sobald die Sexualität einer Frau an irgendeiner Stelle sichtbar wird, wird alles Fachliche irrelevant. Ein Migrationshintergrund scheint die Problematik noch zu verschärfen. Solange solche Gespräche noch möglich sind, ohne dass die Mehrzahl der Zuhörer empört aufsteht, ist Gleichberechtigung verschiedenster Menschen leider noch verdammt weit weg.


Sonntag, 13. April 2014

Gerade so #hach

Seit Anfang dieses Monats ist es soweit. Ich konnte es schon im März kaum erwarten und seit ich mein Hab und Gut in diese neuen Räumlichkeiten verfrachtet habe, will ich davon schreiben. Allerdings war die ganze Zeit über recht viel zu tun (Umziehen, Halbmarathon, Lernen...) und kaum Zeit, sich dem Bloggen zu widmen.
Da ich aber sowieso lieber in die Kasse der Ironblogger einzahle, als halbherzig in letzter sonntäglicher Minute ein paar Zeilen zu kritzeln, ist das auch in Ordnung so.

Umziehen an sich, das Kisten schleppen und alles was dazu gehört ist ja einigermaßen ätzend, aber: der Umzug ist getan! Mit drei wunderbaren Menschen, dem Liebsten mitten darunter, sind wir in das neue Häuschen eingezogen und fühlen uns wohl. Endlich habe ich mal wieder das Gefühl, wirklich zu Hause zu sein und sehe den nächsten Umzug noch nicht direkt vor der Nase. Die Freude wird vom Frühling in Verbindung mit einer Süd-Ost-Terasse noch verstärkt. Oh, und hab ich vergessen, dass wir auch ein wenig Seeblick haben? Ich liebe das neue Heim und auch die Mitbewohner sind toll - einfach zum gern haben und wohl fühlen - einfach so #hach!

Dazu kommt der Frühling an sich. Besseres Wetter, die Knospen verwandeln sich in Blätter, die ersten Blumen kommen heraus, im Wald riecht es wunderbar und zwitschert nur so vor sich hin. So macht Training Spaß! Der Halbmarathon in Freiburg wurde mit einem superbreiten Grinsen im Gesicht geschafft und nun kann ich mich auf den Lauf in Dresden freuen. Damit ist auch das Leistungsdebakel vom letzten Jahr gebrochen und ich hab Spaß dabei - einfach so #hach!

Oh, und bevor ich es vergesse: ich entdecke gerade unglaublich viele alte und neue Interessen. Wenn ein Tag nicht so verdammt kurz wäre, könnte ich 48 Stunden am Tag ohne Unterbrechung lesen, schreiben, laufen, kochen, essen, trinke, radfahren, wandern, geocachen (steht auch schon lang mal wieder auf der Liste) und mich sonst so mit tollen Menschen treffen. Auch der Couchsurfing-Stammtisch bringt dabei immer wieder neue Inputs. Aber ich fürchte selbst 48 Stunden wären knapp dafür - also setz ich mich gleich einfach auf die Terasse in die Sonne, trink ein Bier und freue mich des Lebens. Und dieses Leben ist gerade so #hach!

Mittwoch, 26. März 2014

Weltentrennung

Immer wieder kommt es zu Äußerungen welche virutelle und reale Welten betreffen. Besonders häufig kommen diese Äußerungen im Zusammenhang mit Politik. Da alles, was im Netz vor sich geht als virtuell betrachtet wird und diese Welt strikt von der Realität getrennt wird, werden Bemühungen, Digitales in die Politik zu integrieren häufig belächelt. So wirklich kann ich mit dieser Trennung nichts anfangen.  Zum Einen hab ich Probleme mit der Begrifflichkeit "Realität", zum anderen verstehe ich nicht, weshalb Virtuelles nicht real sein kann. Ein weiterer Punkt betrifft die Trennung selbst.

In der Übersetzung ist Realität die Wirklichkeit und als solche nicht von den Wünschen und Überzeugungen von Individuen abhängig.
Nun ist es aber so, dass die definierte Realität durchaus vom individuellen Wahrnehmungsvermögen abhängt. Selbst wenn ich als Realität nur das annehme, was wissenschaftlich erweisen ist, so bleibt es nur so lange real, bis es widerlegt ist und von einer neuen Realität ersetzt wird.
Das Wahrnehumgsvermögen eines Menschen bildet sich unter anderem aus der Sozialisierung, Erfahrung und Sprache. Dinge, die in der Erfahrung und Sprache eines Menschen nicht vorkommen, können auch schlecht in dessen Wahrnehmung vorhanden sein.
Auf der anderen Seite werden Dinge aufgrund derselben Dinge als real angenommen, obwohl sie soziale Konstrukte sind. Zu diesen Dingen gehören Landesgrenzen, Nationalitäten, Ehen, Blutsverwandtschaften, Eigentum, Farben und vieles mehr.

Virtuell hingegen definiert sich als scheinbar und nicht real/physisch vorhanden. Häufig wird der Begriff im Zusammenhang mit Onlinemedien benutzt, welche Welten konstruieren, die "nur" in bestimmten Spielen exisiteren oder auf virtuelle soziale Netzwerke in welchen Kontakte unabhängig von realen Gegebenheiten existieren. Es mag durchaus sein, dass die virtuellen Gegebenheiten sich nicht (immer) in den realen widerspiegeln, aber dennoch sind beide miteinander vernetzt und lassen sich nicht so leicht unabhängig  voneinander betrachten.
Die Trennung ist aus mehreren Gründen problematisch.
Zum Einen ist Realität etwas höchst Subjektives und zum anderen ist das sogenannte reale Leben in hohem Maße von Digitalem durchzogen. Damit meine ich nicht nur die Präsenz von vielen Menschen in virtuellen sozialen Netzwerken, sondern unter anderem auch die Wege von Geld. 
Die virtuelle Präsenz von Menschen muss nicht unbedingt der außervirtuellen entsprechen und kann dieser auch vollkommen entgegenstehen. Auch werden virtuelle Persönlichkeiten in sozialen Netzwerken häufig ohne eine Entsprechung in der Realität zu haben. Insofern ist es nachvollziehbar, beides voneinander trennen zu wollen. Allerdings spiegelt eine strikte Trennung häufig keine tatsächliche Trennung wider. In einigen sozialen Netzwerken wie Facebook basieren die digitalen Kontakte auf "echten" Begegnungen, so auch die Kommunikation zwischen den Beteiligten. Auf anderen sozialen Netzwerken wie Couchsurfing oder Karrierenetzwerken wie Xing in werden digital Kontakte geknüpft werden, die sich in der Realität wiederfinden sollen. In beiden Fällen ist es zwar möglich, rein fiktive Personen zu entwerfen, aber auch in diesem Fall haben die Handlungen von fiktiven Personen Auswirkungen auf die Menschen, mit denen sie interagieren und sind reales Mittel der Kommunikation und Handlung ihrer Schöpfer. Ein weiterer wichtiger Punkt für eine Überschneidung ist virutelles Mobbing, was enorme Auswirkungen auf die Lebensrealität von Betroffenen hat.
Im Fall von Online-Spielen werden zwar Realitäten entworfen, die nicht in da zu verorten sind, wo der Rest der Gesellschaft sich gerade befindet, aber auch da sind Überschneidungen zwischen virtuell und real zu finden. Zum Einen orientieren auch diese Welten sich am Vorstellungsvermögen der Schöpfer und spiegeln damit Teile der Realität wider, zum anderen agieren in diesem Spielen reale Menschen, die sich mitunter auch real zum Spielen oder auf Conventions treffen. Auch werden durch die vielfältige Interaktion und schnelle Perspektivenwechsel im Onlinespiel ganz reale Fähigkeiten geschult.
Interessant ist auch die Betrachtung von Geld. Zwar verbringt man einen nicht unerheblichen Teil seines Lebens damit, es zu verdienen und benötigt es, um ganz reale Bedürfnisse zu befriedigen allerdings steht sein Wert in ziemlich fiktivem Verhältnis zu den Bewerteten Tätigkeiten und Gütern. Auf welcher Logik, basieren sonst die unterschiedlichen monetären Bewertungen von Arbeit und Gütern?

Da beide Sphären sich in vielen Punkten überschneiden und in Wechselwirkung stehen, halte ich eine strikte Trennung von virtueller und realer Welt für fiktiv. Die gegenseitige Durchdringung von beidem und die wachsende Bedeutung von sozialen Medien als Interaktionsplattformen und die Auswirkungen der zugehörigen Technologien auf das Leben von Menschen sollten Grund genug sein, dieses Thema ernsthaft in den gesellschaftlichen Diskurs zu integrieren. Wer selbst auf Twitter unterwegs ist, bloggt oder Blogs liest hat vermutlich den Eindruck, dass dem länst so ist - aber eine sehr komplexe und vielfältige Realität bedeutet auch, dass jeder in seiner eigenen Wahrnehmungsblase ist. Gespräche mit Menschen, die sich weniger intensiv mit den Möglichkeiten des Internets befassen zeigen, dass die Ausweitung der Realität auf das Virtuelle sehr geringen Raum im Diskurs hat. Das liegt unter anderem an der Art, wie gesprochen wird. Entweder wird digitale Kommunikation lächerlich gemacht, oder in einer Sprache gesprochen, die von den Angesprochenen nicht verstanden wird.

Dienstag, 18. März 2014

Geschichten vorlesen

Nach einer Twitterunterhaltung der @kischtrine und des @tomww begann ich darüber nachzudenken, wie man das Geschichtenvorlesen digitalisieren könnte. Das schöne am Vorlesen ist eigentlich das Persönliche, das ist auch genau das, was beruhigt und berührt. Insofern macht es wenig Sinn, die Geschichten einfach einzulesen und in Form von Hörbüchern auf den Markt zu hauen. Viel schöner fände ich, diese Geschichten speziell für bestimmte Menschen einzusprechen und diese zu teilen.

Man könnte persönliche Botschaften verteilen und der angesprochene Mensch hätte noch einen Seelenstreichler. Wenn nicht das, so ist es wenigstens das Gefühl der Gemeinsamkeit. Der Gedanke gefällt mir und ich glaube, ich werde bald damit anfangen. Genügend Bücher mit Kurzgeschichten, Märchen, Gedichten und sonstigem habe ich. Die eine oder andere Person hat auch ihren eigenen Text. Wer sagt eigentlich, dass das Vorlesen im Erwachsenenalter keine Rolle mehr spielt.
Es gibt so wahnsinnig viele liebenswerte Menschen und viele von ihnen haben irgendwann einmal geäußert, dass sie das Vorlesen schätzen - und alle haben es verdient.

Mir gefällt der Gedanke und ich glaube, das ist ein guter Vorsatz für das Jahr 2014 - wer braucht schon Neujahrsvorsätze.

Montag, 17. März 2014

Prozesse auf der Krim

Bei einigen aktuellen Prozessen kommt mir das Gruseln (und dabei möchte ich keine der agierenden Seiten ausschließen; die sprichwörtlichen Säbel rasseln gerade überall). Zum Konzept der Nation möchte ich mich hier nur kurz äußern. Ich halte den Besitzanspruch von künstlichen Gebilden wie Staaten auf Land, Tiere oder Menschen für absurd (genaueres an anderer Stelle) und die "Natürlichkeit" der Reaktionen dieser Gebilde erst recht, aber darum soll es hier nicht gehen. Viel seltsamer finde ich die aktuellen Reaktionen auf die Aktionen von russischer Seite.

Die Krim hat aufgrund ihrer geostrategisch günstigen Position im Schwarzen Meer eine Sonderrolle, die historisch gewachsen ist. Aufgrund dieser Position war die Krim immer wieder unter unterschiedlichem Protektorat oder Herrschaft.
Zu Sowjetzeiten gehörte sie zur Sowjetunion und unter Stalin wurden sämtliche ethnischen Minderheiten von der Krim deportiert. Mit der ukrainischen Unabhängigkeit wurde die Krim zur autonomen Republik unter ukrainischer Verwaltung erklärt. Die Krimtataren durften später wieder zurückkommen, auch wenn sich die Lebensrealität dieser ethnischen Minderheit schwierig und kompliziert gestaltete und bis heute gestaltet.
Einen weiteren Sonderstatus, innerhalb der Krim hat Sewastopol, in dessen Hafen die russische Schwarzmeerflotte liegt und deren Bevölkerung fast ausschließlich russisch ist. Unter Janukowitsch wurde der Pachtvertrag über die Schwarzmeerflotte im Gegenzug zu ermäßigten Gaslieferung an die Ukraine bis 2047 verlängert (die Sinnhaftigkeit von Verträgen derartiger Länge sei dahingestellt).

Letztendlich sind die argumentativen Stützen von allen Beteiligten (Schutz der ethnischen Minderheiten, Menschenrechte, Schutz der Demokratie) recht vage vorgeschoben. Die Geschichte mit Vertreibung, Wiederkehr, Repression und Unterdrückung ist grausig, die Aussichten unter erneutem Herrschaftswechsel für die ethnischen Minderheiten nicht gerade rosig. Was es in vielen Fällen bedeutet, wenn eine Region unter russischem Protektorat steht, lässt sich an Beispielen im Kaukasus ablesen.

Dennoch, so sehr ich mir einen anderen Ausgang wünschte - auch darum geht es hier nicht wirklich. Die Krim ist primär von Menschen mit russischem Pass besiedelt und Russisch ist die Sprache, die von der Mehrheit gesprochen wird. Das Argument von russischer Seite aus, die "ethnischen Russen" auf der Krim schützen zu wollen, ist ziemlich an den Haaren herbeigezogen.
Ich finde auch die Art, wie Einfluss gesichert und "ethnische Russen" geschützt werden sollen für höchst fragwürdig. Die Krim ist nicht die erste Region, in die nicht gekennzeichnete Panzer einrollen und wird sicher nicht die letzte sein.
Ich finde es merkwürdig, in welcher Form verschiedenen Regionen der Welt unterschiedliche Aufmerksamkeit in unseren Medien geschenkt wird. Dies wird besonders an geostrategisch wichtigen Regionen wie der Krim oder dem Kaukasus sichtbar. Interessant ist auch, welche Regionen kaum Erwähnung finden (Unruhen in Zentralasien sind dafür ein Beispiel).

Die Polemik Amerika dabei als alleinigen Aggressor mit der alleinigen Motivation der Erdgas-/Erdölgewinnung zu nennen, ist dennoch unzulässig vereinfacht. Die Theorie, dass die Proteste in der Ukraine ausschließlich von amerikanischen Dollars bezahlt wurden kommen der Verschwörungstheorie recht nah und negieren zusätzlich jede Gültigkeit des demokratischen Prozesses. Die Sache gestaltet sich einfach wesentlich komplizierte

Allerdings bleiben dennoch einige Fragen offen:
Wieso wird den Prozessen auf der Krim so massive Aufmerksamkeit geschenkt, wohingegen die Unruhen in Kyrgyzstan oder Tajikistan kaum in den Nachrichten erwähnt wurden? Wieso hat sich jahrelang kaum jemand dafür interessiert, wie die krimtatarische Minderheit ihr Leben gestalten kann und daran gehindert wird und auf einmal sind Menschenrechte und Demokratie auf der Krim so wichtig? Wieso wird das Einrollen von Panzern zwar kritisch beäugt, aber erst ein Referendum als völkerrechtswidrig bezeichnet und zieht tiefgreifende politische Konsequenzen nach sich?

Ja, das ist der Hauptpunkt der mich gerade massiv irritiert. Wenn Panzer rollen, ist man allenfalls "deeply concerned". Dann lässt man die Bevölkerung abstimmen und die Abstimmung ist völkerrechtswidrig??? Das muss mir bitte mal jemand erklären. Unabhängig, wie ich zu den Entwicklungen stehe - ich bin sicher nicht Putins größter Fan - aber diese Logik verstehe ich nicht.

Mittwoch, 12. März 2014

Zusammenstöße mit der Realität

Social Media ist manchmal wirklich amüsant. Da vernahm ich einen vielgeteilten Link über die wahren Hintergründe der Unruhen in der Ukraine... Die letzten vier Worte können beliebig ausgetauscht werden, denn die Realität ist überall dieselbe.

Das Zentrum des Bösen befindet sich genau da, wo einst die Achse des Bösen definiert wurde. Dabei ist nicht nur die Realität jedesmal dieselbe, sondern auch die Argumentation - und die überzeugt (zumindest bei flüchtigem Anschauen). Die Motivation, Unruhen anzuzetteln sind immer dieselben: Geld, Macht, Öl und Gas. Menschenrechte und Demokratie sind dabei nur Argumentationshilfen des heimlichen Aggressors. Soweit lässt sich das tatsächlich nachvollziehen und ist sicherlich nicht komplett falsch. Dass auch andere Parteien dieser Konflikte geostrategische Interessen haben könnten wird dabei geflissentlich unter den Tisch gekehrt. Es geht doch wirklich nichts über ein klares Feindbild!

Interessant ist auch immer wieder, welcher Vermittlungsweg für welche Art von Botschaft gewählt wird. Klare Botschaften mit klaren Feindbildern wählen meist die Form von gesprochener, emotionsgeladener Sprache und Bild. Überzeugt mit gelungender Intonation wesentlich schneller und wesentlich mehr Leute als ein geschriebener Text oder nüchterne Analysen.

Aber vielleicht ist ja auch alles ganz anders und wir werden von dem Programm weißer Mäuse gesteuert...

Sonntag, 9. März 2014

Sehenswert: Alphabet

Ein Film von Erwin Wagenhofer, der sehr berührt und nachhaltig aufwühlt. Eines der Charakteristika von Wagenhofers Filmen ist, dass die Szenenauswahl und Kameraeinstellung der einzige Kommentar ist und genau das trifft tief. Der vielleicht bekannteste seiner Filme ist We Feed the World - auch Alphabet ist großartig.

Die grundlegende Debatte des Filmes behandelt die Qualität von Ausbildung und stellt dahingehend auf globaler und lokaler Ebene verschiedene Positionen zum Diskurs. Zu Beginn kommen verschiedene Stimmen zu Wort, die das Streben nach Aufstieg, wie auch den Erfolgsdruck in verschiedenen Schulsystemen behandeln. Es kommen sowohl Befürworter, als auch Kritiker zu Wort, wobei die Auswahl der Szenen, wie auch Kommentare und Kameraeinstellungen eine klare Sprache sprechen.

Die Kernthesen des Filmes könnte ich sofort unterschreiben und sind auch einige der Punkte, die in jeder Diskussion zum Thema Bildung und Ausbildung angebracht werden. Eine dieser Thesen ist, dass das beständige Streben nach Aufstieg eine Entwicklungsbremse ist, da Erfolgsdruck den Mut zum Fehlschlag ausbremst. Kreativität und nicht zielgerichtetes Probieren hat keinen Platz. Auch das Miteinander hat kaum noch Raum in einer Erfolgsgerichteten Gesellschaft, in der das Miteinander hauptsächlich dem individuellen Erfolg dient. Die Hauptthese ist das Ergebnis einer Forschung, nach welcher zu Beginn des Lebens 92% der Menschen hochbegabt seien, nach erfolgreicher Absolvierung eines Ausbildungsprozesses seien es nur noch 2%.

Die Szenen des Filmes stellen nicht nur das Bildungssystem und die Gesellschaftsform mit ihrem primären Fokus auf "Erfolg" in Frage, sondern dokumentieren sehr konkret Auswirkungen auf die menschliche Psyche und stellen einige Gegenmodelle zur Diskussion. Es geht dabei ganz klar nicht um eine absolute Verteufelung von Bildungsinstitutionen, sondern um eine Abkehr vom Leistungsprinzip.

Ein Zitat muss meiner Meinung nach besonders hervorgehoben werden und soll hier als Schlusswort des Filmes stehen:
Die Verkürzung des Lebens auf die Ökonomie
 ist das Schlimmste, was wir unseren Kindern antun können.

Sonntag, 23. Februar 2014

Ich allein ändere sowieso nichts

Der Satz "Ich allein ändere sowieso nichts" ist gefühlt der, den ich am häufigsten höre und einer von denen die mich am meisten aufregt.
Er ist ein Totschlagargument, mit welchem dem Gegenüber jeder Wind aus den Segeln genommen werden soll und er strotzt nur so von Faulheit. Der Faulheitspunkt befindet sich meiner Meinung nach auf zwei Ebenen.

1. Faulheit, sich einer Diskussion zu stellen

 Dieser Satz begegnet mir immer dann, wenn es um gesellschaftliche Verantwortung geht. In einer ehrlichen Diskussion müsste man sich Gegenargumenten stellen und überlegen, wie man fundiert darauf reagiert. Dies erfordert eine gewissen Reflexion und birgt immer die Gefahr, dass das eigene Weltbild ins Wanken gerät, da man sich gewissermaßen auf die Sichtweise des Gegenübers einlassen muss.

2. Faulheit, an sich zu arbeiten

Die Aussage, dass man allein nichts ändern kann, dient als "Argument", sich noch nicht einmal Gedanken zu machen, wie man etwas ändern könnte. Abgesehen davon, dass man mit dieser Haltung die eigenen geistigen Kräfte bindet, sollte man sich vergegenwärtigen, dass man nicht allein ist. Leider meint die Mehrheit, dass man allein nichts tun könne und handelt demnach weiterhin nach dem, was am offensichtlichsten scheint.


Das Problem was ich bei diesem Verhalten sehe ist eben nicht, dass der Einzelne glaubt, nichts tun zu können oder dass Einzelne nichts tun, sondern dass die Mehrheit nichts tun will und damit die Demokratie ad absurdum führt. Wie mächtig Einzelpersonen sind, wenn sie sich zusammenschließen, sieht man aktuell an der Ukraine und wurde bei jeder historischen Revolution sichtbar. Dieses demokratische Prinzip gilt nicht nur bei Regierungsangelegeneiten, sondern auch beim Einkaufen. Ein wenig Nachdenken von vielen Einzelnen kann gewaltige Auswirkungen haben. Wenn der Großteil der Konsumenten sich entschließt, bestimmte Produktionsbedingungen einfach nicht mehr zu unterstützen, werden Unternehmen die ebenso wirtschaften unter Zugzwang gestellt und müssen die Produktion ändern, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Nun ist die Auswahl an Themengebieten, in denen man sich engagieren kann nahezu unbegrenzt. Da liegt es recht nahe zu sagen: "Ich kann sowieso nicht alles richtig machen, also lass ich es bleiben". Bei diesem Satz kann man sich in aller Ruhe noch einmal meine beiden Faulheitspunkte durchlesen. Es wird mir nie verständlich werden, warum es ein Argument sein soll, nicht auf dem Markt einzukaufen, weil man doch beruflich sowieso ein Auto braucht.

Ein weiterer Punkt, der auf recht zynische Weise zum Lachen animiert, ist dass dieser Satz häufig von Leuten kommt, die in puncto "Moral" (Sexualmoral, Arbeitsmoral, Moral bezüglich der gesellschaftlichen Ordnung etc.) ein Gespräch häufig mit "Wenn das jeder tun würde..." beenden. Aber das lasse ich jetzt einfach mal so stehen.

Dienstag, 11. Februar 2014

Die Einwanderungsinitiative und so

Die letzten Tage war ich in einem ziemlichen Wechselbad der Gefühle. Die Angst, die sich an einigen Stellen eingeschlichen hat (auch ich bin Ausländer in der Schweiz) kann ich verstehen. Aber erstmal der Reihe nach.


Der erste Gedanke, als die Auszählung beendet war und das Ergebnis getwittert wurde war: "Ach du Sch..., oh Sternstunde der Demokratie..."
Der zweite Gedanke war: 50,3% stimmten mit ja und ich kenne so viele Wahlberechtigte, die nicht wählen waren - bitter!
Was danach folgte war ein komplexes Gefüge von Gefühlen, Gedanken, Berichten, Reaktionen. Ein paar Dinge möchte ich hier aufgreifen, denn einiges an den Reaktionen nervt gigantisch.

1. Demokratie verpflichtet
Leute, geht wählen. Wenn ihr eine Stimme habt, erhebt sie! Egal, womit man gestimmt hätte: 50,3% zeigt deutlich, wie knapp manche Sachen sind.
Die Demokratie ist historisch gewachsen und ein sehr hohes Gut. Sie ist nicht entstanden, weil Menschen die Klappe hielten, sondern weil sie ihr Recht auf eine eigene Stimme einforderten. Menschen sind in Europa für die Demokratie gestorben und andernorts werden sie gefoltert und/oder ermordet, weil sie für Demokratie kämpfen. Seine Stimme zu verweigern kann dazu führen, dass die Demokratie demokratisch legitimiert abgeschafft wird. Bitte denkt darüber nach!

2. Was soll dieses pseudomoralische Schweizer-Bashing?!?!
Ob man wirklich über alles das Volk abstimmen lassen sollte, verdient eine eigene Diskussion. An vielen Stellen fehlt dem Individuum die Möglichkeit, alle Konsequenzen einer solchen Initiative abschätzen zu können. Auf der anderen Seite gibt es verdammt gute Gründe, diese Entscheidung nicht allein in die Hände von Parteien zu legen. Ich werde diese Debatte jetzt und hier nicht führen.
Ein anderes Thema ist die Reaktion vieler Nicht-Schweizer auf das Ergebnis der Abstimmung. Auf einmal (wenn auch nicht zum ersten Mal) steht der Schweizer an sich unter Generalverdacht des Rassismus - Bitte hört euch selbst mal reden - wir rassistisch ist das denn???

Der nächste Punkt ist: auch wenn eine solche Abstimmung in anderen Ländern des geografischen Europas nicht möglich wäre - mich gruselt es bei dem Gedanken an das theoretische Ergebnis. In Deutschland gibt es immer noch so genannte "National befreite Zonen". Es gibt Orte, die man nicht betreten sollte, wenn man offenkundig Ausländer ist - zumindest nicht, wenn man Wert auf die eigene Unversehrtheit legt. Nun der Schweiz mit dem moralischen Zeigefinger zu kommen ist verlogen.

Diese panikartigen Spontanreaktion, die Sanktionen gegen die Schweiz verlangen, die fordern, keinen Schweizer Käse mehr zu kaufen (oder ähnlich infantiles und populistisches), machen mir echt Angst. Das Ergebnis der Abstimmung ist denkwürdig und auch für mich befremdlich. Allerdings sollte man besonders jetzt erst mal nachdenken, bevor man um sich beißt, wie ein tollwütiger Pit Bull.

3. Lasst Angst nicht zum Leitmotiv werden!
 Angst vor "Überfremdung", um die Arbeitsplätze, um den eigenen Wohlstand, um die eigene Identität sind einige der Gründe, für ein Ja bei der von der SVP lancierten Einwanderungsinitiative. Angst vor Abschiebung, um den eigenen Arbeitsplatz, den eigenen Wohlstand sind Gründe für das bissige und unreflektive Schweizerbashing, was ich gerade an vielen Stellen bemerke.
Es geht nicht darum, das Ergebnis oder die Initiative schönzureden - ich für meinen Teil hab sowieso keine Lust, in Nationen, Religionen und sonstigem Klimbim zu denken. Es geht darum, erstmal nachzudenken. Es geht darum, zu schauen, wo das alles herkommt und wie man mit diesen Ängsten umgeht. Wenn auf eine solche Initiative mit Drohgebärden reagiert wird und die Betroffenen nur noch aggressiv um sich schlagen - was meint ihr denn, wozu das führt? Genau: zu noch mehr Angst und schon schaukelt man sich schön nach oben.
Ich meine nicht, dass man sich jetzt still zurückziehen sollte und alles schluckt, was da so kommt. Ich halte es für enorm wichtig, die vorhandenen Ängste zu thematisieren - aber doch bitte nicht mit Vorwürfen und nicht angstgeleitet. Angst erzeugt Aggressivität und Abwehrreaktionen und genau das kann gerade keiner wirklich gebrauchen und spielt den Initiatoren von solchen Initiativen in die Hände. Die bessere Idee wäre, selbst gesellschaftliche Pluralität zu leben und faire, reflektierte Debatten zu führen.

Samstag, 25. Januar 2014

Fortschritt und Entmündigung

Die Welt ist komplex und wird immer feingliedriger. Da scheint es nur gut, dass Programme und Maschinen uns einen Großteil der (Denk)Arbeit abnehmen. Nun müssen wir vieles nicht mehr hinterfragen. Man klickt auf einen Button und schon funktioniert alles. Die Hintergründe sind verschleiert und für die meisten auch gar nicht interessant - funktioniert ja auch so.

Auf den ersten Blick ist das eine unglaubliche Erleichterung - hat doch jeder von uns auch so schon genügend Sorgen. Auf den zweiten Blick könnte einen aber auch das Gefühl beschleichen, dass dem Menschen auf diesem Weg sukzessive das Denken und Hinterfragen abgewöhnt wird. Zusammenhänge bleiben verborgen und die Welt besteht nur noch aus unendlich vielen Einzelheiten.
Das kann unübersichtlich werden und diese Dinge aus eigener Motivation wieder zusammen zu bringen kostet echte Anstrengung.

Aber warum beschäftigt mich das? Das Leben scheint so einfach, wir scheinen kaum echte (sic!) Sorgen zu haben. Mein Problem ist folgendes:

Dieses Nicht-hinterfragen hat gesellschafts-politische Konsequenzen.
Die Übermittlung von Datenpaketen und deren Hintergründe sind dabei nur ein Beispiel von vielen. Man versteht nicht wirlklich, was vor sich geht, wenn man eine Mail schickt. Man versteht auch nicht wirklich, was passiert, wenn Daten gespeichert werden - und eigentlich ist es ja auch egal (sic!). Es funktioniert ja alles (sic!) 
Ein weiteres  Beispiel ist der unreflektierte Konsum von Dingen. Das der Preis von Gütern seine Hintergründe in Form von Produktionsbedingungen hat, ist ein Zusammenhang über den leider wenige Menschen nachdenken (mal ganz abgesehen von dem Irrsinn, dass man bereit ist mehr für einen Liter Cola zu zahlen, als für einen Liter Milch).
Ein stetiger Kontrollverlust scheint der Preis der Bequemlichkeit zu sein. Und da alles so schön einfach ist, entmündigen wir uns selbst.


Montag, 13. Januar 2014

Wieso ist die korrekte Antwort nicht "So what?!?!"

Letzte Woche ist eine unglaubliche Hysterie um die Sexualität eines Fußballspielers (nach seiner Karriere) ausgebrochen.

In meiner Welt ist die sexuelle Orientierung eines Sportlers, Bankers, Musikers, Politikers oder sonstigen Menschen vollkommen schnuppe. Allerdings zeigt die Reaktion vieler Menschen auch in meinem direkten Umfeld, weshalb die korrkete Antwort auf das Outing einer in der Öffentlichkeit stehenden Person leider noch nicht "So what?!?!" sein kann:

Selten habe ich so viele Kollegen über imaginäre Seifenstücke kichern hören. Selten begannen mehr Sätze mit "Ich habe nichts gegen Schwule, aber..." Auf einmal höre ich überall Witze über Schwule.
Auf einmal brechen Debatten aus, ob Homosexualität als seperates Thema im Schulunterricht sein soll. Die Reaktion war nicht: Sollte doch bei Sexualkunde dabei sein, oder?! Die Reaktion war eine panische Petition, die wünscht dies zu verhindern, um die armen Kinder nicht zu verderben.

Auf einmal fühlt sich die Bundesregierung (!) genötigt, die private Äußerung eines Ex-Fußballers ausdrücklich zu begrüßen. Selbstverständlich ändert diese Begrüßung nichts an der nicht vorhandenen rechtlichen Gleichstellung von homosexuellen Paaren (Stichwort Adoptionsrecht).

Alle sind ja so tollerant, aber... Witze müssen doch noch erlaubt sein...  Solange man selbst nichts damit zu tun hat... Solange man sich nichst vorstellen muss, solange das eigene Weltbild nicht berührt wird... Solange Kinder nicht damit in Berührung kommen...

Hey Leute, kein Problem - solange ihr tolerant seid...

Leider sieht man aus weiter Entfernung, wie es um diese Toleranz steht. Sie ist nichts als ein Schild, was man vor sich herträgt, weil es so kleidsam ist und es einfach nicht mehr salonfähig ist, sich klar als homophob oder xenophob zu präsentieren - wenigstens das! Wenigstens ist es inzwischen peinlich, homophob zu sein. Von einer toleranten Gesellschaft ist das aber noch weit entfernt.

Dass wir im 21. Jahrundert immernoch über die gesellschaftliche Akzeptanz unterschiedlicher sexueller Orientierungen sprechen müssen ist traurig - verdammt traurig. Dass die zur Schau getragene Toleranz nichts als Show ist, ebenso.