Sonntag, 24. November 2013

Die Verdammung der Religion

In letzter Zeit kommen mir mal wieder gehäuft Diskussionen über und um Religion(en) unter, deren Tonart ich nicht ganz nachvollziehen kann. Meist fangen Atheisten an, sich unglaublich aggressiv gegen jede Form der Religion zu wehren, obwohl niemand auch nur um Ansatz versucht hat, sie von irgendetwas zu überzeugen. Da werden alle Verbrechen, die jemals im Namen der Religion verübt wurden über einen Kamm geschert und die Religion an sich ist auf einmal die Ursache allen Übels in der Welt.

Auch ich bin nicht gläubig und recht froh, wenn niemand versucht, mich zu missionieren - was zum Glück auch noch nicht oft vorgekommen ist. Allerdings kann ich diesen quasireligiösen Eifer, mit dem Religion verteufelt wird nicht ganz nachvollziehen. Ich glaube, dass es eher sehr irdische Machtstrukturen sind, die dazu führen, dass gesellschaftliche Regeln (egal ob nun religiös begründet oder nicht) so umgedeutet werden, dass Andersartigkeit (welcher Art auch immer) unterdrückt wird. Religion nun so vollkommen abzuweisen und sogar jedes Nachdenken darüber zu verweigern ist nichts anderes, als genau derselbe Mechanismus. Mal ganz abgesehen davon bekommt jede Religion erst durch ihre gelebte Interpretation ihre Charakterzüge - und die sind denkbar unterschiedlich und wie ich finde auch noch interessant. Mit Sicherheit finde ich nicht alles toll, was im Namen von institutionalisierter Religion geschehen ist und geschieht - dazu gibt es auch keinerlei Anlass - aber Hauptmerkmal der institutionalisierten Religion ist nun mal, dass sie von Menschen interpretiert und vereinheitlicht wurde.

Ich bin ernsthaft der Meinung, dass nur durch gegenseitiges Interesse auch Verständnis geschaffen werden kann. Nur durch Verständnis und aktives Zuhören können Konflikte bereinigt oder vermieden werden. Eine Verteufelung von dem Anderen bringt dabei nicht wirlich etwas und so ganz nebenbei find ich das neben gefährlich auch noch sehr schade. Man muss nicht alles verstehen und unterstützen, was so vor sich geht, aber Akzeptanz ist schon ein guter Schritt.

Sonntag, 17. November 2013

Die Welt scheint manchmal aus der Ziffer 2 zu bestehen

In letzter Zeit komme ich immer mal wieder mit dem Konflikt zwischen realem Leben und gesellschaftlicher Werteordnung in Berührung. Ganz aktuell war das eine Reportage über intersexuelle Menschen und die Feststellung, dass eine lesbische Freundin jetzt wohl hetero sei, weil sie sich in einen Mann verliebte.

Da stellt sich mir die Frage, weshalb immer alles in zwei Teilen konstruiert wird. Wieso sind die Zwischenräume so selten wahrnehmbar und werden noch viel seltener diskutiert? Es gibt bisexuelle Menschen und es gibt noch viele andere Orientierungen im Raum der Sexualität. Für all diese eine Kategorie zu finden, dürfte sich schwierig gestalten und ist auch gar nicht notwendig - geht es doch eigentlich immer nur exakt die beteiligten Personen etwas an.

Auch in Sachen Geschlecht und Gender ist die Zuordnung nicht immer klar. Ich persönlich empfinde es als großen Schritt nach vorn, dass die Kategorie Geschlecht nun nicht mehr zwingend im Pass stehen muss. Ich halte eine derartige genaue Zuordnung im Übrigen auch für irrelevant. Die meisten Menschen definieren sich nicht allein durch das Vorhandensein von Genitalien. Dass die Zuordnung so wichtig ist, entspring eher einem gesellschaftlichem Konstrukt, welches nur bedingt der Realität entspricht.

Aber nicht nur in Form von bipolaren Oppositionen dominiert die "2" unsere Welt. Auch in sozialen Beziehungen sticht sie hervor. Es können laut gesellschaftlichem Konstrukt immer nur exakt zwei Menschen in einer intimen Beziehung sein. Nur zwei Menschen erziehen die Kinder, beste Freunde sind auch immer nur zwei.
Ich für meinen Teil finde das komisch. Es ist noch nicht vorgekommen, dass eine Person in meinem Leben weniger wichtig geworden wäre, nur weil eine andere Person dazukommt und gleichermaßen wichtig für mich ist.

Die Organisation des Lebens in ein bipolares Gerüst ist recht einfach, um "Werte" und "Ordnung" zu schaffen. Allerdings kenne ich (neben mir) verdammt viele Menschen, denen dieses Gerüst einfach zu eng ist. Das hat dabei nichts mit Werteverfall zu tun. Egal wie man ist, (sich) fühlt oder wen/wie viele man liebt: wichtig ist eigentlich nur, dass man das ehrlich tut.

Ich fände es schön, wenn weniger auf diese bipolaren Ordnungen geschaut würde. Wenn man versuchen würde, Menschen erst kennenzulernen, bevor man sie anhand von scheinbar offensichtlichen Merkmalen einordnet. Ich mag diese bipolare Ordnung nicht und ich kenne wenig Menschen, die in diese hineinpassen. Leider orientieren sich auch viele Menschen, die nicht in die bipolare Welt passen an deren Wertordnung, was wiederum zu Unehrlichkeit führt. Schade.

Sonntag, 10. November 2013

Überbordend

Während der Odyssey of Failure in Berlin habe ich unglaublich interessante Menschen getroffen, sehr inspirierende Gespräche geführt und vor allem haben einige der Sessions ein inneres Umrühren in mir bewirkt.

Die Folge war, dass ich vor Energie strotzend nach Konstanz zurückgekommen bin und das Bedürfnis hatte und habe, alles gleichzeitig, jetzt und sofort anzufassen. Das betrifft die Literaturrecherche zu einigen spannenden ethnologischen Themen, Weiterbildungsvorhaben in so technischen Dingen (man wird sehen, was draus wird. Auf jeden Fall macht es Spaß), einige Themen, die ich mit Freunden, Bekannten und meinem Partner ansprechen will, mein Lauftraining (immerhin will man den nächsten Lauf ja wieder finishen), diverse andere Aktivitäten und dann natürlich noch so ein paar nervige Kleinigkeiten, die man machen muss, obwohl man nicht will.

Infolge dieser ganzen Vorhaben habe ich in einer einzigen Woche geschlagene 180 € für Bücher ausgegeben, die ich zum Großteil auch schon mit großer Faszination angelesen habe, meinen PC mit vielen neuen Dingen versorgt, mir einen gehörigen Muskelkater verpasst und recht wenig geschlafen. Zu den notwendigen aber unangenehmen Dingen bin ich natürlich nicht gekommen - geht ja nächste Woche auch noch...

Nächste Woche geht es wieder genauso weiter, nur dass die vorerst im Zeichen der notwendigen und unangenehmen Dinge stehen wird, bevor ich all dem nachgehe, wofür ich gerade mordsmäßig motiviert bin.

Danach werde ich wohl irgendwann mal realisieren müssen, dass ich meine Motivationen und Ziele in eine vorgegebene Realität einorden muss. Das wiederum betrifft die sehr begrenzte Stundenanzahl des Tages (24 find ich echt mager), meinen Geldbeutel (so toll Bücher und so auch sind), meine eigene Hirnkapazität und die persönlichen Grenzen von Freunden und Bekannten - die können auch nicht alles aufnehmen, was bei mir gerade so rumspukt.

Sonntag, 3. November 2013

Die Debatte um das Erlernen des Scheiterns #fail13

Eine Diskussion, die es auf dem Barcamp des Scheiterns durchaus gab und zu der ich gern meinen eigenen Senf abgeben möchte:

Zur Zeit könnte man das Gefühl bekommen, das Scheitern wäre in der Gesellschaft angekommen. In allen Zeitschriften und Zeitungen liest man, dass man das Scheitern lernen kann und es gibt sogar Veranstaltungen, die das Scheitern als sexy anpreisen. Hintenrum kommt dann die Botschaft, dass man Scheitern können muss,um erfolgreich zu sein. Scheitern kann man erlernen, um wirklich erfolgreich zu sein.

Wie bitte? Liebe Leute. Wieso muss denn auch noch dieses Thema dazu benutzt werden, weiteren Erfolgsdruck zu generieren? Wie soll man das Scheitern denn genau erlernen und gibt es dazu dann auch messbare Skills?

Auch ich halte eine Debatte um das Scheitern für sehr wichtig und für noch viel wichtiger halte ich es, das Scheitern als wichtigen Teil des Lebens zu thematisieren. Allerdings diesen Gedanken wiederum in einen Erfolgszwang zu pressen und Scheitern als Mittel zum Erfolg zu missbrauchen halte ich für verfehlt und perfide.

Ich möchte an der Stelle dafür plädieren, das Scheitern einfach mal sein zu lassen, was es ist: ein Endpunkt. Was man anschließend aus der Erfahrung macht ist eine völlig andere Sache. Zunächst muss man durch den Prozess gehen, das Ende anerkennen und durchleben. Das ist nicht zwangsläufig schön, muss aber auch nicht unbedingt unerträglich schmerzhaft sein - kann es aber beides. Wenn man diesen Prozess der Anerkennung überspringt indem man gleich davon ausgeht, dass diese Erfahrung einen später weiterbringen wird und es sich ja eigentlich wie bei allem (und sowieso) um etwas Positives handelt glaube ich nicht, dass man sich dem Scheitern wirklich stellt.

Das Scheitern zu erlernen, um erfolgreich zu sein oder auch das Vorhaben postiv, schöner, sexy (oder was da auch sonst noch so kursiert) geht an der Sache selbt vorbei. Menschen scheitern; egal ob sie es "erlernt" haben oder nicht. Angenehm wird es den Wenigsten sein. Natürlich ist eine Lehre, die man aus der Situation mitnehmen kann nicht ausgeschlossen - muss aber auch nicht sein. Zu unterstellen, dass immer ein Fehler passiert ist, unterstellt Schuld und auch darum geht es nicht. Manchmal passen einfach die Umstände nicht und schon geht eine Sache schief. Lehren, die man aus einem solchen Scheitern zieht, dürften (zumindest konkret) kaum anwendbar sein, wenn man auch als Mensch daran wachsen kann. Das Wachsen liegt dann aber eher an der gemachten Erfahrung und des Anerkennens, als an den Lehren.

Eine weitere Sache stört mich an der Debatte um das gute, schöne, schlechte, bessere Scheitern und das sind die wertenden Adjektive. Ich glaube einfach nicht, dass sich Scheitern in diesen Begriffen bewerten lässt. Und falls doch, dann höchst individuell und von einer Situation in die nächste wieder anders.

Auch wenn gerade nahezu inflationär über Scheitern gesprochen wird, habe ich nicht den Eindruck, dass sich dadurch wirklich ein Blickwinkel verschiebt - sehr schade, aber genau darüber sprechen wir ja.

Samstag, 2. November 2013

Der Odyssey erster Teil #fail13

Der Sessionteil des ersten Tages der Odyssey of Failure ist vorbei und ich bin begeistert. Es ist ein schönes kleines Barcamp mit sehr intimier Atmosphäre geworden. Unglaublich interessante Leute, wahnsinnig tiefe Themen. Der Anteil der Selbsthilfegruppen-Stimmung hält sich in Grenzen und ist in genau dem Maße vorhanden, wie es angenehm ist.

Bereits die Eröffnungssession von Regine offenbarte einen schönen, tiefgründigen Humor, der sich auch im weiteren Verlauf des Tages häufiger zeigen sollte.

Es sind Themen aufgetreten, die mich sehr persönlich berühren und deren Diskussion mich aufgewühlt und befriedigt hat. Für die Blogpost des Jahresrestes bin ich auf jeden Fall hervorragend mit Anregungen ausgestattet.

Weitere Themen haben mich nicht nur berührt, sondern auch deutlich zum Nachdenken gebracht. Es gibt da Themen in meinem Leben, bei denen ich aus purer Angst vor möglichen Folgen gescheitert bin, sie überhaupt anzusprechen. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob es wirklich eine gute Idee ist, aber mit behutsamem Feingefühl dürfte es möglich sein, sich zumindest anzutasten.

Für heut ist noch ein gemütliches Hangaround geplant und ich freue mich auf weitere tolle Gespräche und die Sessions von morgen, die auch noch vieles Interessantes versprechen.

Bereits in der Struktur gescheitert

Scheitern wird häufig sehr individuell wahrgenommen und thematisiert. Es ist auch meist ein sehr persönliches Thema. Allerdings fehlt dieser Betrachtung ein wesentlicher Punkt, den ich bereits an anderer Stelle thematisiert habe.

Wenn Menschen ausgegrenzt werden, weil sie nicht in eine bestimmte Gesellschaftsstruktur passen, ist das Scheitern eigentlich kollketiv - in mehrfacher Hinsicht. Zum einen wird gemeinschaftlich auf das Scheitern von Menschen hingearbeitet, zum anderen scheitert ein ganzes Kollektiv daran, Menschen zu integrieren und damit selbst den Blick zu erweitern.

Welche Natur das Anderssein hat, spielt dabei nur im konkreten Beispiel eine Rolle. Es kann sich dabei um Hautfarbe, Nationalität, Religion, sexuelle Orientierung, Körperform oder jedes beliebige andere Merkmal handeln. Irgendwie hat man ja sein "ästhetisches Empfinden". Irgendwie gibt es ja Regeln und irgendwie ist ja alles klar. Und wenn man sich so gemütlich in seinem Gebilde von Gesellschaft eingerichtet hat, ist natürlich alles, was anders ist erst einmal eine Bedrohung.

Menschen, die wir durch solche Xenophobie ausgrenzen, können gegen ihre Situation dabei relativ wenig tun. Natürlich gibt es auch Persönlichkeiten, die genau durch ihr Anderssein profitieren - aber das ist nicht die Mehrheit. Viel zu häufig trauen sich Menschen nicht, sich zu outen, weil sie Angst vor Diskriminierung haben. Viel zu häufig werden Menschen aufgrund von Religion ausgeschlossen, aufgrund von sichtbaren oder nicht sichtbaren Merkmalen bei Aktivitäten, Jobs, Gesprächen benachteiligt oder gesondert behandelt. Diesen Leuten kann man nicht einfach sagen, sie mögen sich ihr Scheitern genau ansehen und da durch gehen, denn es ist in diesen Fällen nicht individuell gelagert.

Aus gesellschaftlicher Sicht sollt man sich neben dem moralischen Aspekt auch fragen, welche Potentiale verloren gehen, wenn alles was nicht sorfort begreifbar ist, ausgegrenzt wird. Da sind so viele Standpunkte, Weltsichten, Erfahrungen, spannende Themen, die verlorengehen, nur weil man Angst vor dem Verlust des aktuellen Gerüsts hat.

Eigentlich sollte sich jeder nur trauen, selbst zu scheitern und dem Unbekannten eine Chance geben. Wenn wir das in der gesellschaftlichen Mehrheit schaffen, kann strukturalisiertes Scheitern eingegrenzt werden.

Freitag, 1. November 2013

Kurz vor Start: Die Odyssey of Failure

Ich bin in Berlin. Wir schreiben den 1. November 2013 - Allerheiligen.

Seit fast einem Jahr sind Regine, Holger und ich dabei, die Odyssey of Failure zu organisieren. Immer wieder hatten wir Momente, in denen wir dachten, dass wir das Ganze vielleicht verschieben sollten oder teilweise auch daran zweifelten, das Ding gewuppt zu bekommen.
Immer wieder machte der (zugegebenermaßen nicht der allerbeste) Witz die Runde, dass es nur konsequent ist, wenn wir mit einem Barcamp des Scheiterns scheitern - hahaha ;)

Jetzt sitzen wir in Regines Wohnzimmer und denken über die letzten Dinge nach, die noch getan werden müssen. Barcamptassen werden genau in diesem Moment geliefert, ein paar Einkäufe müssen noch gemacht werden, wir feilen an unseren Sessions. Der Zeitplan steht, die Nervosität steigt. So langsam wird es ernst.
Hier die Tassen inklusive Dank an unsere Sponsoren (nugg.ad, Sonntagmorgenhttp://www.apfelzet.de/, und datarella):

 Wir sind gespannt, wie sich das Ganze entwickeln wird, freuen uns auf die Leute die kommen und freuen uns über jeden, der uns auf dem Weg hierher unterstützt hat.
Wer in Berlin ist und neugierig ist, kann gern noch in der c-base vorbeikommen. Yeah - das wird grandios!!!