Donnerstag, 5. September 2013

Es geht nicht nur um "positives Denken"

Seit ich mich intensiver mit dem Scheitern beschäftige, bemerke ich auch eine verstärkte öffentliche Debatte zu diesem Thema.

Nach meinem letzten Blogpost zu diesem Thema wurde der Artikel in der Zeit über das Scheitern verlinkt (dafür vielen Dank dafür an Sanya Zillich). So dankbar ich für jedes öffentliche Statement für eine konstruktive Kultur des Scheiterns bin, so sehr meine ich auch, dass einige Äußerungen noch einmal kritisch hinterfragt werden sollten. Häufig wird das "Scheitern können" damit gleichgesetzt, dass man den negativen Aspekten im Leben Gutes abgewinnen kann. Es geht allerdings nicht nur darum, sich möglichst schnell von negativem Erleben zu lösen.

Aus diesem Grund wede ich hier einige Gedanken aus dem Zeitartikel noch einmal reflektieren.
Ganz am Anfang ist mir die Formulierung aufgefallen, dass "Stehaufmännchen" weniger grübeln und schneller von negativen Gedanken loskommen. Es geht aber, so finde zumindest ich, nicht nur darum, von negativen Gedanken loszukommen. Es kann auch nicht darum gehen, dies möglichst schnell zu tun und dann "positiv" weiterzuleben. Vielmehr geht es im "Scheitern können" meines Erachtens darum, dass man sich intensiv mit dem Moment des Scheiterns und dem Weg dahin auseinandersetzt. Konstruktiv ist nicht einfach ein Interpretieren, bis es positiv erscheint, sondern vielmehr ein Prozess des Verstehens. Wenn ich davon ausgehe, dass ich nur dann gut gescheitert bin, wenn ich dem Schmerz letztendlich etwas wirklich Positives abgewinne, setze ich mich selbst unter Druck. Nicht jeder Endpunkt lässt sich so deuten, manches ist und bleibt einfach eine menschliche Katastrophe und sollte dann auch als diese anerkannt werden dürfen.

Besonders markant der Abschnitt über Politiker, der tatsächlich ein gesellschaftliches Abbild zeichnet: Erfolge werden dem eigenen Tun zugeschrieben, Misserfolge den äußeren Umständen. Die Frage ist: Woran liegt das, und was hat diese Denke zur Folge?
Ursache für dieses "Schuld" wegschieben und Erfolg nur dem eigenen Können zuzurechnen ist ein enormer gesellschaftlicher Druck, ein möglichst idealer Mensch sein zu müssen. Fehler werden nicht einfach als solche angesehen, sondern als persönliches und menschliches Versagen. Geteilte Erfolge hingegen können dem einzelnen nicht mehr konkret zugerechnet werden und machen sich demnach in der eigenen Erfolgsgeschichte weniger gut. Die Realität sieht allerdings vollkommen anders aus. Sowohl Erfolge als auch Fehlschläge sind immer (ich meine wirklich IMMER) mehreren Faktoren zuzurechnen. Der wichtigste Aspekt in beiden Fällen ist nicht die Schuld (positiv dann der konkrete Verdienst), sondern das, was ich daraus mache.

Das ständige Streben nach Verbesserung, dieser Drang nach Perfektinismus ist nicht nur Ursache für viele psychische Erkrankungen, es ist auch noch zum Scheitern verurteilt. Man kann sich mühen, wie man will - das Stadium des Perfekten wird kein Mensch jemals erreichen. Wer sich so etwas allen Ernstes vornimmt, wird daran scheitern und dies als logische Konsequenz so leicht nicht anerkennen können. Diese individuelle Katastrophe ist aber nicht alles.
Dieses Streben verursacht auch eine ziemlich üblen Egoismus. Dieser schlägt sich genau darin wieder, dass Erfolge nur der eigenen Person zugeordnet werden und Fehlschläge anderen Menschen. So zersetzt sich Stück für Stück ein zwischenmenschliches Miteinander und eine gesunde Gesellschaftsstruktur.

Letztendlich ist es tatsächlich so, dass der Moment des Scheiterns wohl für niemanden und zu keinem Zeitpunkt angenehm ist. Es tut teilweise sogar verdammt weh und kann einen innerlich ziemlich zerlegen. Humor ist ein gutes Mittel, mit Niederlagen umzugehen, allerdings ist dies wesentlich leichter gesagt als getan. Um überhaupt dazu fähig zu sein, bedarf es verdammt viel Übung und vor allem eine weniger auf Erfolg ausgerichtete Gesellschaft. Der Ansatz, bereits Kinder mit dem Scheitern in Berührung zu bringen, indem der Lernprozess nicht auf das Ergebnis sondern auf den Prozess ausgerichtet ist, halte ich für eine ausgesprochen gute Idee.

Einige Schlusspunkte des Artikels empfinde ich allerdings eher seltsam. Da wird davon gesprochen, dass eine Kultur des Scheiterns eine größere Fehlertoleranz voraussetzt, eine zu hohe hingegen nicht förderlich ist. Dieser Gedanke vergisst leider, dass nicht jedem Scheitern ein Fehler vorausgegangen sein muss. Abgesehen davon, dass es nicht um Fehler oder Schuld geht, kann man tatsächlich zu jedem Zeitpunkt die bestmögliche Entscheidung treffen, anschließend dennoch "an die Wand fahren" weil sich einfach die Umstände geändert haben. Mit Fehlern hat das dann rein gar nichts zu tun.


Im Großen und Ganzen fand ich den Artikel gelungen und freue mich, dass diese Thematik (die mir ungemein am Herzen liegt) allmählich größere Gesellschafltiche Beachtung findet. Wenn wir es nun noch schaffen, unser Leben nicht mehr ständig auf Wachstum und Erfolg auszurichten, ist Platz für 'ne ganze Menge Menschlichkeit - ich freu mich drauf.

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