Ein Teil ist mir bei meinem Blogpost zum Barcamp Bodensee entwischt - sehr komisch, denn die Sache liegt mir doch sehr am Herzen.
Als Mitorganisatorin eines Barcamps des Scheiterns, habe ich eine kleine Session zu diesem Thema gemacht. Form der Session war eine Diskussion. Mein Ziel war, herauszufinden was andere Menschen mit dem Thema verbinden; ob das Scheitern noch mehr Menschen beschäftigt und welcher Aspekt für sie besonders spannend ist.
Als sich nach meiner doch recht holprigen Sessionankündigung am Samstag einige Interessenten meldeten, freute ich mich darüber, machte mir aber auch zunehmend Gedanken, wie ich diese Diskussion führen soll.
Als der Raum bei Sessionbeginn aber voll war, war ich wirklich überrascht und unsicher. An meiner Moderations- und Präsentationstechnik muss ich definitiv noch arbeiten und ich hatte etwas Angst, eventuellen Erwartungen nicht genügen zu können. Aber hey, irgendwie geht es ja auch genau darum... Trotz ausbaufähiger Präsentation entwickelte sich eine recht spannende Diskussion.
Es waren viele Ansichten vertreten. Es gab die Meinung, dass jeder selbst für sein Scheitern verantwortlich ist, dass Scheitern immer ein Zeichen ist, nicht alles gegeben zu haben, es gab aber auch die Ansicht, dass Scheitern vollkommen normal und notwendig ist. Letzteres kommt meinem persönlichen Standpunkt recht nah.
Sehr kontrovers wurde der Punkt diskutiert, ob eine gesellschaftliche Kultur des Scheiterns notwendig ist. Mit dieser Kultur des Scheiterns meine ich nicht, dass das Fehlversuche gefördert werden müssen, sondern dass sie toleriert werden sollten und Missgeschicke nicht dazu führen sollten, dass Menschen an ihrem Wert zweifeln.
An der Stelle wurde auch ein Unterschied zwischen dem mitteleuropäischen und amerikanischen Umgang mit dem Scheitern angesprochen. Wo ein Mensch sich hierzulande aufgrund seiner Fehlversuche häufig als Versager fühlt, so wird dies andernorts als Pluspunkt gewertet: Wer bereits gescheitert ist, weiß wo sich Tücken verbergen und kann diese Erfahrung besonders gewinnbringend und risikovermindernd einbringen.
Wenn man zugrunde legt, dass jeder Mensch seine Lebenskraft und sein Selbstwertgefühl aus sich selbst bezieht und sich auch nur selbst aus Tiefpunkten herausholen kann, so könnte man eine gesellschaftliche Verantwortung verneinen. Wenn man allerdings sieht, dass Tiefschläge und überhöhte Erwartungen (an der Stelle sei dahingestellt, ob diese gesellschaftlich oder persönlich sind) zu Lähmungsgefühlen führen, dann kann man sich dennoch fragen, inwiefern es eine gesellschaftliche Verantwortung für Einzelne gibt.
Wenn man einer solchen Verantwortung zustimmt, ist immernoch nicht geklärt, wie man diese etablieren kann. Wie kann ich als einzelner oder auch als Kleingruppe meinen ganz konkreten Beitrag leisten, dass Menschen sich nicht mehr gelähmt fühlen müssen. Wie kann ich einen Anteil daran leisten, dass Scheitern nicht zum Verlust der Selbstachtung führt? Und wieso sollte ich das tun, denn irgendwie ist ja immernoch jeder selbst für sich verantwortlich. Um das Abstraktum "Scheitern" zu illustrieren wurden viele konkrete Beispiele bemüht. Es wurde mit wirtschaftlichem Erfolg argumentiert, wenn es darum ging zu belegen, dass der eigene Einsatz belohnt wird. Auch das Gegenteil dieses Erfolges wurde als Beispiel bemüht. Menschen die sich am anderen Ende der gesellschaftlichen Hierarchie befinden: Obdachlose, Menschen die unfreiwillig keinen Zugang mehr zur Gesellschaft haben.
Dabei ging es nicht darum, die Eigenverantwortung des Individuums zu negieren oder "die böse Gesellschaft" verantwortlich zu machen. Vielmehr wurde versucht, für verschiedene Situationen zu sensibilisieren und aufzuzeigen, dass manchmal ein kleiner Anstoß von außen notwendig ist, um seine eigenen Kräfte wieder mobilisieren zu können.
In der Diskussion wurden diese Fragen und viele weitere aufgeworfen. Für mich war es sehr spannend, das zu beobachten und die Diskussion zu verfolgen. Zu einem Punkt gekommen sind wir dabei nicht und ehrlich gesagt war das auch nicht unbedingt mein Ziel. Es sind viele Fragen offen geblieben, die Diskussion war kontrovers und das Thema hat viele Menschen angesprochen.
Auch außerhalb des Barcamps bekomme ich sehr positive und neugierige Reaktionen und freue mich darauf weiter zu diskutieren und einige dieser Punkte bei der Odyssey of Failure in Berlin zu diskutieren.
Liebe TeilnehmerInnen des Barcamp Bodensee: Habt Dank für die Diskussion, vielen Dank für eure Anregungen und Tipps!
Egal, wer verantwortlich ist - jedeR kann scheitern. Allein deshalb schon ist es aus meiner Sicht völlig unproduktiv, auf gute deutsche Art gleich mal nach einem Schuldigen zu suchen und, schlimmer noch, die Sache damit für erledigt zu erklären. Was passiert denn, wenn der Schuldige ausgemacht wurde? Und ist das ein Grund, ihm gleich alle Menschenrechte zu entziehen? Die Regeln der schwarzen Pädagogik sind schon noch ziemlich präsent. Und es wird offensichtlich - sie helfen niemandem, weder dem Gescheiterten noch seiner Umwelt.
AntwortenLöschenEs gibt gute Gründe, dem Scheitern ein ganzes Barcamp zu widmen: allein schon einen Umgang damit zu finden, dürfte lebhafte Diskussionen auf mehreren Ebenen entfachen. Einen anderen Grund erwähnst Du schon - Scheitern findet in vielen unterschiedlichen Bereichen statt.
Der Lohn des Scheiterns ist Empathie - damit wir uns gegenseitig besser verstehen können.
Danke :) Ich seh auch so. Vor allem ist ja durch den "Schuldspruch" noch nichtmal ein Teil des Problems gelöst.
AntwortenLöschenBin mal sehr gespannt, was auf dem Barcamp an Themen entsteht und freu mich drauf!