Montag, 17. März 2014

Prozesse auf der Krim

Bei einigen aktuellen Prozessen kommt mir das Gruseln (und dabei möchte ich keine der agierenden Seiten ausschließen; die sprichwörtlichen Säbel rasseln gerade überall). Zum Konzept der Nation möchte ich mich hier nur kurz äußern. Ich halte den Besitzanspruch von künstlichen Gebilden wie Staaten auf Land, Tiere oder Menschen für absurd (genaueres an anderer Stelle) und die "Natürlichkeit" der Reaktionen dieser Gebilde erst recht, aber darum soll es hier nicht gehen. Viel seltsamer finde ich die aktuellen Reaktionen auf die Aktionen von russischer Seite.

Die Krim hat aufgrund ihrer geostrategisch günstigen Position im Schwarzen Meer eine Sonderrolle, die historisch gewachsen ist. Aufgrund dieser Position war die Krim immer wieder unter unterschiedlichem Protektorat oder Herrschaft.
Zu Sowjetzeiten gehörte sie zur Sowjetunion und unter Stalin wurden sämtliche ethnischen Minderheiten von der Krim deportiert. Mit der ukrainischen Unabhängigkeit wurde die Krim zur autonomen Republik unter ukrainischer Verwaltung erklärt. Die Krimtataren durften später wieder zurückkommen, auch wenn sich die Lebensrealität dieser ethnischen Minderheit schwierig und kompliziert gestaltete und bis heute gestaltet.
Einen weiteren Sonderstatus, innerhalb der Krim hat Sewastopol, in dessen Hafen die russische Schwarzmeerflotte liegt und deren Bevölkerung fast ausschließlich russisch ist. Unter Janukowitsch wurde der Pachtvertrag über die Schwarzmeerflotte im Gegenzug zu ermäßigten Gaslieferung an die Ukraine bis 2047 verlängert (die Sinnhaftigkeit von Verträgen derartiger Länge sei dahingestellt).

Letztendlich sind die argumentativen Stützen von allen Beteiligten (Schutz der ethnischen Minderheiten, Menschenrechte, Schutz der Demokratie) recht vage vorgeschoben. Die Geschichte mit Vertreibung, Wiederkehr, Repression und Unterdrückung ist grausig, die Aussichten unter erneutem Herrschaftswechsel für die ethnischen Minderheiten nicht gerade rosig. Was es in vielen Fällen bedeutet, wenn eine Region unter russischem Protektorat steht, lässt sich an Beispielen im Kaukasus ablesen.

Dennoch, so sehr ich mir einen anderen Ausgang wünschte - auch darum geht es hier nicht wirklich. Die Krim ist primär von Menschen mit russischem Pass besiedelt und Russisch ist die Sprache, die von der Mehrheit gesprochen wird. Das Argument von russischer Seite aus, die "ethnischen Russen" auf der Krim schützen zu wollen, ist ziemlich an den Haaren herbeigezogen.
Ich finde auch die Art, wie Einfluss gesichert und "ethnische Russen" geschützt werden sollen für höchst fragwürdig. Die Krim ist nicht die erste Region, in die nicht gekennzeichnete Panzer einrollen und wird sicher nicht die letzte sein.
Ich finde es merkwürdig, in welcher Form verschiedenen Regionen der Welt unterschiedliche Aufmerksamkeit in unseren Medien geschenkt wird. Dies wird besonders an geostrategisch wichtigen Regionen wie der Krim oder dem Kaukasus sichtbar. Interessant ist auch, welche Regionen kaum Erwähnung finden (Unruhen in Zentralasien sind dafür ein Beispiel).

Die Polemik Amerika dabei als alleinigen Aggressor mit der alleinigen Motivation der Erdgas-/Erdölgewinnung zu nennen, ist dennoch unzulässig vereinfacht. Die Theorie, dass die Proteste in der Ukraine ausschließlich von amerikanischen Dollars bezahlt wurden kommen der Verschwörungstheorie recht nah und negieren zusätzlich jede Gültigkeit des demokratischen Prozesses. Die Sache gestaltet sich einfach wesentlich komplizierte

Allerdings bleiben dennoch einige Fragen offen:
Wieso wird den Prozessen auf der Krim so massive Aufmerksamkeit geschenkt, wohingegen die Unruhen in Kyrgyzstan oder Tajikistan kaum in den Nachrichten erwähnt wurden? Wieso hat sich jahrelang kaum jemand dafür interessiert, wie die krimtatarische Minderheit ihr Leben gestalten kann und daran gehindert wird und auf einmal sind Menschenrechte und Demokratie auf der Krim so wichtig? Wieso wird das Einrollen von Panzern zwar kritisch beäugt, aber erst ein Referendum als völkerrechtswidrig bezeichnet und zieht tiefgreifende politische Konsequenzen nach sich?

Ja, das ist der Hauptpunkt der mich gerade massiv irritiert. Wenn Panzer rollen, ist man allenfalls "deeply concerned". Dann lässt man die Bevölkerung abstimmen und die Abstimmung ist völkerrechtswidrig??? Das muss mir bitte mal jemand erklären. Unabhängig, wie ich zu den Entwicklungen stehe - ich bin sicher nicht Putins größter Fan - aber diese Logik verstehe ich nicht.

2 Kommentare:

  1. Danke für diesen Blogbeitrag. ;) Ich finde es absolut wichtig, diese Geschichte differenziert zu betrachten. (Auch) in diesem Konflikt gibt es nicht einfach gut und böse. Allerdings: Die westliche Milliardenhilfe für den Umsturz ist nicht einfach "Verschwörungstheorie": https://www.freitag.de/autoren/hans-springstein/5-milliarden-dollar-fuer-den-staatsstreich

    Ausserdem: Wie würden z.B. die USA reagieren, wenn z.B. in Mexiko ein von Russland propagandistisch und finanziell unterstützter antiamerikanischer Aufstand ausbrechen würde und dort eine pro-amerikanische Regierung gestürzt würde? Moderater als Putin? Wohl kaum.

    Die Krise in der Ukraine/auf der Krim könnte vermutlich gut diplomatisch gelöst werden. Aber es gibt Kräfte, die an einer solchen Lösung nicht interessiert sind.

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  2. Danke für den Kommentar und den Link! :)

    Mir ging es nicht darum, die Existenz von Finanzmitteln zu negieren. Natürlich existieren die. Die Frage ist nur, wohin die geflossen sind. NGOs finanzieren sich (fast) alle und (fast) überall über Gelder außerhalb der Landesgrenzen, häufig werden sie sogar dadurch gegründet. Das ist nicht nur in der Ukraine so und es betrifft auch da nicht nur die Gelder der USA. Mir ging es darum, dass die Proteste nicht allein durch diese Gelder entstanden sind. Natürlich haben diese NGOs ihren Einfluss ausgeübt, indem sie über Information der Menschen Meinungen mitgestaltet haben. Natürlich sind Gelder an wohlhabende und einflussreiche Ukrainer geflossen. Aber dass das gereicht hätte, um die Bevölkerung in dieser Masse für drei Monate im Winter (und der ist in Kiew nicht so niedlich wie bei uns) auf die Straße zu bringen, glaube ich nicht. Ich halte diese Aussage für vereinfacht und verschwörerisch.

    Der Punkt, wie die USA in einem fiktiven Fall Mexiko reagiert hätte spielt meiner Meinung nach in dieser Diskussion keine Rolle. Kein Land, was irgendwo einmarschiert braucht eine gefährdete ideologische Nähe. Die Argumentation, dass es bei der "militärischen Stütze" allein um die Wahrung von Menschenrechten und Demokratie geht, halte ich für verlogen - und damit meine ich alle beteiligten Seiten.

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