Freitag, 5. September 2014

Das optimierte Ich

In letzter Zeit treibe ich mich wieder etwas verstärkt in diversen Jobportalen rum und werde das Gefühl nicht los, dass es eigentlich nur darum geht, wer dem Personaler am Besten ins Gesicht lügen kann und dem zukünftigen Arbeitgeber den süßesten Honig ums Maul schmiert. Ich habe da keine Lust drauf.

Vielleicht liegt es genau daran, dass ich jetzt den Job habe, den ich halt habe, aber ich sehe auch einfach keinen Sinn darin, meinen Lebenslauf und meine Qualifikationen so lange zu pimpen, bis ich die eierlegende Wollmilchsau bin. Langfristig würde mich das verdammt unzufrieden machen. Es gibt eine ganze Menge Dinge, die mich interessieren, die ich mit Freude lernen würde, allerdings hat so ein Tag den Nachteil, sich auf 24h zu beschränken. Ich gestalte meine Bewerbungen so, dass wirklich ICH da stehe, nicht das, was irgendeine HR-Abteilung meint zu wollen.

Ich sehe keinen Sinn darin, mein recht passables Englisch als "verhandlungssicher" zu deklarieren, weil ich noch nicht einmal weiß, was dieses "verhandlungssicher" oder "sehr gut" im Kontext von Sprachbeherrschung nun genau sein soll. Ich habe keine Lust darauf, meine Interessen und Gebiete in denen ich mich gerade (in meiner Freizeit) weiterbilde als herausragende Qualifikationen anzupreisen - das sind sie einfach noch nicht. Kann ja aber noch werden.

Meiner Meinung nach, hat es aus Personalersicht auch wenig Sinn nach fertigen Kapazitäten zu suchen. Egal was man tut, worauf man sich bewirbt - Einarbeitungszeit ist überall notwendig. Natürlich gibt es Vorraussetzungen. Es macht wenig Sinn, sich als mathematischer Analphabet auf eine Mathematikprofessur zu bewerben allerdings sollte der Schwerpunkt nicht immer auf bescheinigten Fähigkeiten liegen. Viel interessanter sind doch Persönlichkeiten, die ins Team passen und die motiviert sind, sich Kenntnisse anzueignen. Das lässt sich dummerweise nicht mit Zertifikaten prüfen und erfordert einen wesentlich komplizierteren Auswahlprozess.

Es würde mich zu Tode langweilen, wenn ich diese tausenden optimierten Lebensläufe lesen müsste, in denen sowieso nur das drin steht, was ich schon in die Ausschreibung geschrieben habe. Lückenlose Lebensläufe... Xing-Webinare, mit dem Namen "Es gibt keine Lücken im Lebenslauf"... Naja, kommt darauf an, was ego und alter als Lücke definieren.

Und warum sollte es auch ständig die Karriereleiter hinauf gehen - was auch immer das schon wieder sein soll? Wieso sollte man sich nicht auch einmal mit anderen Dingen beschäftigen, ohne gleich eine Zielsetzung dahinter zu definieren? Was hat ein Vorgesetzter von einem Bewerber, der sich auf dem Papier zwar optimiert hat, das rhetorisch auch noch bis zum Ende der Probezeit durchhält und anschliessend zusammenbricht? Was habe ich selbst davon?

Ich habe dieses Streben nach immer mehr gründlich satt. Ich habe keine Lust, mich in dieses sinnentleerte Optimierungsgehabe einzureihen und ich werde es auch nicht tun.

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